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In einem anderen Leben.

Habt ihr Lust mit ins Eiskaffee zu kommen? Ja, sehr gerne. Das wünsche ich mir. Nein, leider können wir nicht. Das sage ich. Vielleicht in einem anderen Leben. Das denke ich. Wenn uns Freunde/Bekannte mit gesunden Kindern fragen, ob wir sie begleiten möchten, ins Kino, zu Veranstaltungen, zum Fasching, zum Campingausflug, ins Kaffee oder einfach mal zu Ikea, dann ist meine Antwort meistens Nein. In meinem Kopf sammeln sich die Gedanken und festigen sich immer wieder zu einer Aussage: Vielleicht in einem anderen Leben. (Ich stelle mir vor, wie die Reaktionen wären, wenn diese Aussage nicht nur in meinem Kopf bleiben würde, sondern laut und ganz überzeugend ausgesprochen wird: Nein, danke der Nachfrage aber heute können wir leider nicht. Vielleicht in einem anderen Leben? Wie bitte? Äh, okay…) Ich muss an dieser Stelle betonen, dass Evan und ich wirklich tolle Freude haben. Die einiges für uns in Kauf nehmen, damit wir dabei sein können. Einsame Waldspaziergänge, die entlegenste Spielplätze, die kuriosesten Schwimmuhrzeiten, geopferte Bratpfannen und Fliegenklatschen, stundenlange Staubsaugergeräusche – das sind noch die harmlosesten Opfer. Ein Dankeschön …

Eine niedliche Behinderung, bitte.

Man lernt immer dazu. Gerade an Orten, an denen man am wenigsten damit rechnet. So erging es mir zumindest letzte Woche. Im Supermarkt. Beim Einkaufen. Oh, das ist aber eine niedliche Behinderung. Wie bitte? Was? Eine niedliche Behinderung? Niedliche Behinderung. Diese Äußerung habe ich während einer Unterhaltung zweier Damen im Supermarkt aufgeschnappt. Nein, es ging nicht um Evan sondern um ein kleines Mädchen mit eben dieser niedlichen Behinderung. Ein Phänomen. Ich beobachte es schon seit längerem. Es scheint eine Klassengesellschaft der Behinderung zu geben. Die Behinderung oder besser gesagt die Behinderten scheinen in verschiedene Gruppen aufgeteilt zu sein. Die Gruppen, die ich bis jetzt entdeckt habe, sind: Die niedlichen Behinderten, die zutiefst mitleiderregenden Behinderten und die schrecklichen Behinderten zu der auch die Untergruppe „die sehen ja komplett gesund aus und sind nur falsch erzogen“ Behinderten gehören. Zu letzterer Untergruppe scheinen wir hinzugefügt wurden zu sein. Leider wurden wir – wie so oft- vorher nicht gefragt, ob wir dazugehören wollen. Einfach abgestempelt. Zumindest gehören wir endlich mal dazu. Sind einer Gruppe angehörig. Vielleicht sollte ich mich, anstatt …

Grenzen.

Mutterliebe ist eine Leidenschaft, die ihre eigene Gewalt und Größe hat (Carmen Sylva). Seitdem Evan auf der Welt ist, weiß ich was Mutterliebe bedeutet. Wie stark, rein und ehrlich diese Liebe ist. Ich liebe Evan. Sehr. Aber. Aber? Aber es gibt auch diese anderen Tage. Stunden. Minuten. Sekunden. An/in denen macht Evan es mir schwer. Kratzen, beißen, hauen, treten. Evan ist ein sehr impulsives kleines Kerlchen. Ihm fehlen die Worte und stattdessen benutzt er seine Hände, seinen Mund oder manchmal auch seine Beine. An manchen Tagen, Stunden, Minuten oder Sekunden ist es sehr schwer zu ertragen. Ich habe das Gefühl ich zähme ein wildes Tier. Versuche es zu beschwichtigen. Möchte es nicht dressieren oder konditionieren. Aber manchmal soll/muss er auf mich hören. Ich bin ein sehr geduldiger Mensch und habe mir immer vorgestellt meinem Kind auf Augenhöhe zu begegnen, um zu erklären. Liebevoll zu erziehen. Stattdessen muss ich an diesen anderen Tagen versuchen mich zu schützen. Uns zu schützen. Kurz den Raum verlassen. Einmal tief durchatmen. Evan ist krank und kann sein Verhalten nicht steuern, …

Ein Hoch auf Momo!

Evan liebt Tiere. Evan liebt Momo, den Hund meiner Eltern. Allerdings hat Evan eine sehr spezielle Art das zu zeigen. Seine ganz besondere eigene Art, die viele Hunde schon nach sehr kurzer Zeit in die Flucht treibt. Aber nicht unsere Momo. Sie „erträgt“ Evans Liebesbeweise und Zuneigungen nun schon fast 5 Jahre und außer ein „Jetzt reicht es aber“ Knurren hat sie es so souverän gemeistert, dass ich ihr an dieser Stelle einmal einen eigenen Beitrag widmen möchte. Evan liebt Tiere und ganz speziell Hunde & Pferde. Da er aber sehr unruhig und laut ist, sind einige Tiere davon sehr schnell eingeschüchtert. Die zwei Yorkshire Terrier von meiner lieben Freundin Nicole mögen gar nicht mehr zu uns in die Wohnung kommen. Wenn sie an unserem Haus vorbeigehen und nicht abbiegen müssen, meine ich sie sogar zu hören: „Schnell vorbei, zum Glück heute keinen Besuch!“ Evan liebt auch diese zwei Artgenossen, weiß allerdings nicht genau wie er Kontakt zu ihnen aufbauen soll. Ein zärtliches Streicheln kann man sich so vorstellen, als wenn Hulk einen liebevoll entgegenrennt …

Der ist doch nicht behindert?!

… doch, das ist er! Als ich mit meinem Blog angefangen habe, habe ich schon einmal kurz das Thema angeschnitten. Da ich in letzter Zeit sehr oft mit diesem Thema konfrontiert worden bin, liegt es mir sehr am Herzen es nochmal genauer zu formulieren. Evan ist weder frech noch bin ich aufgrund der Tatsache, dass ich mit ihm alleine lebe, überfordert – manchmal vielleicht ein wenig – diese Tatsache hat aber nichts mit dem Grad seiner Behinderung zu tun. Auch wenn man Evan seine Behinderung nicht an sieht, ist es eine Tatsache, dass er in seinem Handeln und in seinem Alltag sehr eingeschränkt und ständig auf fremde Hilfe angewiesen ist. An alle Mitmenschen, Freunde, Familie und Wegbegleiter: Evan hat weder immerwährende Trotzanfälle noch ist er gemein gefährlich oder verfügt über ein hochgradiges Aggressionspotenzial. Durch die vielen Reize und Besonderheiten im Alltag kann man bei ihm eher von einer Reizüberflutung sprechen, die sein Verhalten in bestimmten Situationen auslösen. Hinzu kommt die fehlende (deutliche) Kommunikation, die einige Gegebenheiten noch verschlimmern können. Mich verletzt es sehr, wenn ich …

Mutter sein, Frau bleiben

Wenn ich Glück habe geht Evan um 19 Uhr schlafen. Wenn ich Pech habe, wird es 21 Uhr. Dann habe ich noch etwas Zeit für mich. Da ich am nächsten Morgen allerdings früh aufstehen muss, um zur Arbeit zu fahren, gehe ich meistens zeitig ins Bett. Wenn ich Glück habe kann ich durchschlafen oder werde nur 1 bis 2 Mal die Nacht „liebevoll wach gemacht“. Wenn ich Pech habe, ist meine Nacht gegen 3 Uhr erstmal zu Ende und ich kann ab 5 Uhr noch eine Stunde schlafen. Leider klingelt gegen 6 Uhr schon wieder mein Wecker. Ich benutze die Snoozle Funktion dann bis zum Äußersten aber irgendwann muss leider auch ich aufstehen und die Routine beginnt: mich fertig machen, Evan wecken & fertig machen. Evan wird gegen 07:00 (2x die Woche erst um 08:30 aufgrund seiner Schlafprobleme) von dem Bus der Lebenshilfe abgeholt. Danach schnell zur Arbeit fahren, immer die Zeit im Nacken, da ich pünktlich bei der Arbeit ankommen muss. Ansonsten schaffe ich meine Stunden nicht. Nach 5 Stunden bei der Arbeit, fahre …

Liebe kennt keine Sprache

Machen Sie einmal Ihre Augen zu und stellen sich Folgendes vor (erst lesen und dann Augen zu machen): Sie sind in einem fremden Land. Sie sprechen weder die Sprache noch können Sie die Gesten und Mimiken der anderen Leute verstehen und deuten. Sie hören die Menschen sprechen, Sie hören Autos, Kindergeschrei, irgendwo bellt ein Hund. Stellen Sie sich vor, dass alles prasselt auf Sie ein, ohne, dass sie es direkt zuordnen oder filtern können. So ähnlich ergeht es meinem Sohn jeden Tag. Einige meiner „Mütter -Freundinnen“ beschweren sich oft, dass ihre Kinder zu viel erzählen und sie ständig mit Fragen bombardieren. Evan spricht gar nicht und ich würde mir sehr wünschen, dass er mir Löcher in den Bauch fragt und mich mit Sätzen bombardiert und belagert. Wenn ich anderen Kindern und deren Eltern beim gemeinsamen Unterhalten zuschaue, werde ich jedes Mal ein wenig sentimental. Für viele ist das Selbstverständlich, für mich ist es etwas Einzigartiges und Faszinierendes: Verbale Kommunikation.  Kommunikation ist der Grundstein für jegliche Art von Beziehung. Wenn wir nicht kommunizieren können, können wir einander nicht …

Der steinige Weg zur Diagnose

  Kann er mich nicht hören oder will er mich nicht hören? Diese Frage habe ich mir ganz am Anfang unseres gemeinsamen Weges – ich könnte auch Martyrium schreiben – immer wieder gestellt. Irgendetwas stimmt doch nicht. So fing alles vor ungefähr 3 Jahren an. Evan hat sehr wenig auf Sprache reagiert und schien oft sehr abwesend zu sein. Zudem war Evan ein sehr unruhiges Kind und wollte immer beschäftigt werden. Dabei habe ich mir am Anfang nicht viel gedacht, da Evan durch seine schwere chronische Erkrankung (Herzfehler) sehr viel umsorgt wurde. Hat er in seiner „Intensivkrankenhauszeit“ nur einmal geschrien, wurde er sofort von mehreren Krankenschwestern umsorgt und liebevoll zur Ruhe gebracht. Das hat sich Evan sehr früh gemerkt und sich zu Nutzen gemacht. Aber es ließ mir trotzdem keine Ruhe. Umso älter er wurde umso mehr Sorgen habe ich mir gemacht. Nach einiger Zeit habe ich mir einen Termin bei einem Pädaudiologen geholt. Er sollte abklären, ob Evan im Stande ist richtig und deutlich zu hören. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch sehr naiv und …