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Unser Sommer alias „Nicht so wie ich es mir vorgestellt habe“

Der Sommer 2018 war schwierig für mich. Warum gerade dieser? Das wüsste ich auch gerne. Vielleicht war es auch nicht der Sommer direkt, der es mir schwer machte sondern die Vorstellungen wie dieser Sommer gefüllt und gestaltet werden sollte. Schon bevor die Sommerferien begonnen haben, habe ich direkt oder indirekt mitbekommen wie Freunde, andere Familien, Arbeitskollegen und Bekannte dabei waren, Ihren Sommer zu füllen. Ihre Urlaube und Ausflüge zu planen und zu buchen. Ich wurde immer leiser und habe so gut es ging weggehört – bis ich irgendwann nicht mehr weghören, es nicht mehr verdrängen, konnte. Die Traurigkeit und Enttäuschung waren einfach zu groß. Ich wollte auch gerne in den Urlaub fahren oder aufregende Ausflüge mit meiner Familie unternehmen. Ich hatte das Bedürfnis unsere Urlaube bis ins kleinste Detail zuplanen und die Vorfreude auf den Urlaub zu genießen. Aber alle Ideen, wie wir unseren Urlaub verbringen könnten, wurden im nächsten Moment sofort erschlagen. Erschlagen von der Realität. Wenn Illusion auf die Realität trifft, so in etwa fühlte es sich an. Ich habe in den letzten Jahren immer viel ausprobiert. Oft, sehr oft, eigentlich immer, bin ich dabei über meine Grenzen gegangen und habe Urlaub vom Urlaub gebraucht. Ich muss mittlerweile gut mit meinen Kräften haushalten und werde immer sorgsamer was und was nicht geht. Leider geht mit der Zeit immer weniger.

Mit einem, meinem, behinderten Kind in den Urlaub zu fahren oder Ausflüge zu unternehmen ist sehr schwierig. Wenn ich ganz ehrlich mit mir selber bin, ist der erholsamste Urlaub zu Hause, in den eigenen vier Wänden. Aber dieses Jahr habe ich eine innerliche Unruhe verspürt. Ans Haus gefesselt zu sein, nicht frei entscheiden zu können wo wir unseren Urlaub verbringen, war sehr schwer für mich. Ich habe mich mal wieder ausgeschlossen gefühlt. Ich habe wieder den Stempel:  „Nicht dazugehörig – außen vor“ auf meiner Stirn gesehen. Zu diesem Stempel gesellte sich dieses Jahr aber noch ein Anderer. Ein Stempel, der mir dieses Jahr, diesen Sommer, viel mehr zu schaffen machte. Der Stempel: Ungerecht.

Mir ist es wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass ich mir darüber im Klaren bin, dass es viele Familien gibt, die aus den verschiedensten Gründen nicht in den Urlaub fahren können. Mir geht es bei meinen Urlaubsgedanken auch nicht um den 5 Sterne Urlaub im Ausland, sondern um die Freiheit entscheiden zu können was wir machen. An manchen Tagen ist es noch nicht einmal möglich den Spielplatz im Ort aufzusuchen. Ganz zu schweigen von irgendwelchen Sommerurlauben oder Ausflügen. Zu meiner innerlichen Unruhe kommen zudem noch die Schuldgefühle. Schuldgefühle meinem besonderen Kind keinen Urlaub zu ermöglichen, der möglich ist. Evan liebt Ausflüge und Urlaube. Evan liebt das Meer und das Übernachten in anderen Unterkünften. Aber viele äußere Umstände machen es einfach unmöglich zu verreisen. Glauben Sie mir, wenn ich schreibe, dass ich Möglichkeiten über Möglichkeiten in Betracht gezogen habe, um am Ende doch wieder gedanklich sagen zu müssen:

Marcella, das wird nicht klappen! Sei vernünftig.

Am Ende hat die Vernunft (Vernunft- ein Wort welches ich gerne in meinem Leben streichen würde) diesen Sommer gesiegt. Wir sind nicht weggefahren. Zumindest nicht so wie ich es mir vorgestellt habe.

„Nicht so wie ich es mir vorgestellt habe“ bezeichnet unseren Sommer 2018 ganz gut. Aber wissen Sie was an „Nicht so wie ich es mir vorgestellt habe“ gut ist? Es beinhaltet, dass es noch ein „anders“ gibt. So schwer und traurig dieser Sommer auch für mich war, habe ich mal wieder gemerkt, dass es noch mehr als „nicht so wie ich es mir vorgestellt habe“ gibt. Es gibt immer, so kitschig dies jetzt klingen mag, einen anderen Weg, in meinem Falle, eine andere Vorstellung. Ich bin diesen Sommer an meine Grenzen gekommen und das ist gut und wichtig so. Warum? Um meine Grenzen neu ordnen zu können und neue Möglichkeiten zu erschaffen. Auch wenn diesen Sommer nicht vieles ging, ging doch einiges. Wir haben uns unser eigenes kleines Paradies inklusive Pool und Gartenübernachtungen zu Hause erschaffen. Wir haben Ausflüge ans Meer, an den See und in den Vergnügungspark gemacht – in diesen Fällen habe ich das Wort Vernunft wirklich aus meinem Wortschatz gestrichen. An diesen Tagen bin ich bewusst über meine Grenze gegangen, aber nur mit dem Wissen, die nächsten Tage meine Energiefässer wieder zu Hause füllen zu können.

Unser Sommer 2018 war anders. Anders als ich ihn mir vorgestellt habe. Anders schön. Das soll jetzt kein kitschiges Märchen Happy End werden, nach dem Motto Ende gut alles gut. Nein, es ist nicht alles gut. Ich bin weiterhin sehr traurig, dass in unserer Familie vieles was für andere Familien ganz normal ist, so für uns nicht möglich ist. Aber mir ist auch klar geworden, dass das zum Leben dazugehört. Nur weil andere Familien Dinge machen können, heißt es nicht, dass wir dies auch automatisch können. Das ist das Leben, mit all seinen Facetten. Es ist nicht immer alles gerecht und gut aber ich kann Ihnen versichern, dass es anders gut ist. Ich bin glücklich mit unserem Sommer 2018 und ich hoffe sehr, dass meine Kindern das gleiche Gefühl haben. Ich versuche zu schauen und zu erörtern was möglich ist und was geht. Nächstes Jahr wird es wieder anders sein. Wie anders? Das weiß ich noch nicht. In diesem Sinne auf das Leben mit allen seinen wunderbaren und wundervollen und manchmal auch ungerechten Facetten. 

Aufklärung.

Aufklärung. Auf Menschen zugehen, bevor sie weggehen. Menschen aufklären, bevor sie verurteilen. Menschen informieren, bevor sie falsche Informationen beziehen.

Ich überlege oft wie viel ich von unserem Privatleben preisgeben kann und darf. Wie viel darf ich von Evan erzählen. Über welche Themen darf ich schreiben? Bevor ich unseren Blog angefangen haben, habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, ob es für Evan okay ist. Manchmal stelle ich mir die Frage immer noch. Ist es okay für ihn? Ich versuche so ehrlich wie möglich zu sein, ohne dabei zu sehr in bestimmte Details zu gehen. Es gibt Themen, über die schreibe ich nicht. Alles andere versuche ich zu beschreiben und zu erklären. Ich bin den Weg der Aufklärung gegangen. Ich habe mich entschieden, einen Blog über unser Leben, über Evan, ins Leben zu rufen und ich würde es immer wieder so machen. Unser Leben ist sowieso „alles andere als normal“. Warum dann nicht darüber schreiben. Ich hoffe, dass Evan eines Tages seinen, unseren Blog, durchlesen kann und ich hoffe noch mehr, dass es ihm gefällt und dass es in Ordnung für ihn ist.

Mach’s gut, liebste Omi.

Liebste Oma,

bei Deinem 80. Geburtstag habe ich Dir ein kleines Gedicht vorgetragen. Gerne hätte ich Dir heute wieder etwas Schönes und Fröhliches  vorgetragen– stattdessen stehe ich hier und bin unendlich traurig. Traurig, weil Du nicht mehr da bist. Aber mir ist es eine Herzensangelegenheit Dir auch heute etwas vorzutragen und Dich und Dein Leben zu ehren. Denn Du bist es Wert, geehrt zu werden und Dich in Ehren zu halten.

Du warst ein wundervoller, offener, lustiger und besonders liebenswerter Mensch. Ich weiß, diese Dinge hört man meistens bei einer Abschiedsrede aber liebe Oma, glaube mir, für mich warst Du ein ganz besonderer Mensch. Du warst und bist ein Stück Heimat. Ich habe mich immer so wohl bei Dir gefühlt. So viele Stunden haben wir zusammen in Deiner Küche verbracht. Wir haben gekniffelt, Kaffee getrunken, gepuzzelt, Kreuzworträtsel gelöst oder einfach nur geredet. Ich erinnere mich sehr gerne an diese wunderschöne Zeit zurück. Egal ob ich traurig, müde oder wütend war, Du hast mich so angenommen wie ich bin. Das liebe Oma, habe ich ganz besonders an Dir geschätzt. Dass ich so sein durfte wie ich bin. Deine witzige, manchmal kindliche Art hat mich in vielen schlechten Stunden aufgeheitert. Liebe Oma, ich danke Dir zudem für Deine Gastfreundschaft. Egal wann ich geklingelt habe, egal wie ungünstig es gerade war, Du hast mich immer willkommen geheißen. Wie oft wusste ich nicht wohin ich fahren sollte, da es mit Evan so schwierig ist. Bei Dir waren wir immer willkommen. Du hast meinen kleinen Michel Evan so genommen wie er ist und warst ihm eine großartig liebevolle Urumoa- dafür liebe Oma, danke ich Dir von Herzen.

Liebe Oma, jetzt bist Du nicht mehr da. Wir können nicht mehr zusammen in Deiner schönen Küche sitzen oder zu Arkenau fahren, um einen Kaffee zu trinken. Wir können nicht mehr zusammen mit Evan und Noah Blödsinn machen. Wir können nicht mehr zusammen singen, witzige Videos drehen oder auf der großen Höhe ein Picknick machen und dabei lauthals der Kuckuck und der Esel singen.  Dinge, die für mich selbstverständlich waren, sind es auf einmal nicht mehr. Du warst für mich selbstverständlich. Du warst immer da. Mein ganzes Leben warst Du da. Ich musste nur in Deine Straße fahren und Du hast die Tür aufgemacht. Und jetzt? Jetzt bist Du nicht mehr da. Und ich dachte immer, wir hätten noch viel Zeit und könnten noch etliche Kaffee zusammen trinken. Was, liebe Oma,  würde ich jetzt dafür geben, noch einmal mit Dir zusammen sein zu können und Dir zu sagen wie wundervoll Du warst. Dir zu sagen wie viel Platz Du in meinem Leben und in meinem Herzen eingenommen hast. Dir zu sagen, wie sehr ich Dich geliebt habe.

Liebe Oma, ich möchte nicht nur traurig sein. Ich möchte Dich und Dein Leben feiern. Denn Du bist es wert gefeiert zu werden. Ich weiß, dass Du größtenteils ein glückliches und fröhliches Leben hattest. Viele Jahre zusammen mit Deinem geliebten Richard in eurem schönen zu Hause. Dein zu Hause, dort hast Du Dich am Wohlsten gefühlt. Gerade zum Ende Deines Lebens als es Dir nicht mehr so gut ging, hatte ich das Gefühl, dass Dir Dein zu Hause noch viel Kraft gegeben hat. Ich bin unendlich glücklich, dass Deine lieben Kinder es Dir ermöglicht haben, dass Du bis zum Ende Deines Lebens zu Hause leben konntest. Ich freue mich, dass Du am Ende Deines Lebens wundervoll liebe Menschen in Deinem Leben hattest, die es gut mit Dir gemeint haben. Ich freue mich, dass Du mit Selma eine so langjährige und intensive Freundschaft erleben durftest.

„Als Gott sah, dass der Weg zu lang, der Hügel zu steil und der Atem zu schwer wurde, legte der seinen Arm um sie und schenkte ihr seinen Frieden“ – Liebe Oma, ich hätte Dich so gerne noch etliche Jahre hier auf Erden gehabt aber in meinem tiefsten Inneren weiß ich, dass es Dir jetzt besser geht. Ich wollte es nicht sehen und das tut mir sehr leid aber Du hattest am Ende keine Kraft mehr und das liebe Oma, ist in Ordnung.

Was bleibt, wenn ein geliebter Mensch geht? Diese Frage stelle ich mir seit Deinem Tod. Die Liebe ist stärker als der Tod – dieser Tatsache bin ich mir ganz sicher. Wir alle, die wir hier heute sitzen, tragen so viele ganz verschiedene, wundervolle, einzigartige und persönliche Erinnerungen an Dich in unserem Herzen. Diese Erinnerungen bleiben ewig. Seitdem Du nicht mehr hier bist, fallen mir so viele schöne Momente ein, die wir zusammen mit Evan, Anna und am Ende auch mit Noah erlebt haben. Ich höre Deine Stimme und ich sehe Dich. Ich habe Angst, liebe Oma, dass ich irgendwann nicht mehr weiß wie Deine Stimme klingt oder dass ich Dich nicht mehr sehe. Aber einer Sache bin ich mir ganz bewusst: Ich werde Dich immer in meinem Herzen tragen, denn die Liebe ist stärker als der Tod. Meine Erinnerungen an Dich reichen für ein ganzes Leben.  Du bist und wirst immer meine geliebte Oma Anne sein.

Liebe Oma, ich danke Dir, dass Du mir so eine liebe und verständnisvolle Oma warst. Ich danke Dir für die schönen gemeinsamen Stunden. Liebe Oma, fliege nun in das Licht hinein. Wärme Deine gute und einzigartige Seele in dem warmen Sonnenschein. Lass Dich drücken und umarmen, Du wirst immer bei uns sein. Als Juwel in unserem Herzen, liebe Oma, strahlst Du heller als ein Stern.

In Liebe, Deine Marcella.

PS: Liebe Omi, am Ende des Regenbogens sehen wir uns wieder.

 

Familie.

Mit den Kindern gemeinsam eine Fahrradtour machen. Gemeinsam auf den Weihnachtsmarkt gehen, den Kindern zuwinken während sie auf dem Karussell fahren. Zwei Glühwein und zwei Kinderpunsch kaufen und zusammen trinken. Den Kindern bei den Hausaufgaben helfen. Sie glücklich und erschöpft vom Sportverein abholen und ihnen gespannt zuhören, welche Abenteuer sie erlebt haben. Gemeinsam in den Urlaub fahren. Familie sein und leben. 

Diese und andere Dingen sind für viele Eltern und Familien eine Selbstverständlichkeit. Sie sind so selbstverständlich, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt. Für uns sind sie es leider nicht. Wie gestaltet sich das Familienleben mit einem behinderten und einem gesunden Kind? Mit einem Kind, welches zu 100% Deine Aufmerksamkeit benötigt? Wie schafft man es gleichzeitig, die unterschiedlichen Familienbedürfnisse zu erfüllen? Mit diesen Fragen setzte ich mich im Moment sehr ausgiebig auseinander. Ich merke, dass mein Wunsch nach Familie nicht der Realität entspricht. Gemeinsam mit meinem kleinen Michel Familienausflüge zu unternehmen, gestaltet sich sehr schwer. Fast unmöglich. Evan benötigt zu 100% meine alleinige Aufmerksamkeit. Er möchte seine Wege auf seine Weise gehen oder befahren. Fragen Sie nicht, wie diese Weise aussieht. Bei unserem letzten Ausflug waren zwei Staubsauger dabei. Keine Kinderstaubsauger, so viel kann ich Ihnen verraten. Andere Kinder gehen mit Ihren Puppenwagen spazieren. Wir haben Staubsauger. Das klingt lustig. Ist es auch – ein wenig. Zumindest sieht es so aus. In der Realität hängt ein Ausflug aber von genau diesen Staubsaugern ab. Darf er sie nicht mitnehmen, brauchen wir erst gar nicht los. Sind wir dann unterwegs, kann eine Kleinigkeit Evan so sehr aus dem Konzept bringen, dass wir sofort wieder umkehren können. Natürlich mit seinen Staubsaugern. Evans kleiner Bruder, alias Nummer 3, ist noch klein und toleriert diese Aussetzer und Besonderheiten. Noch. Irgendwann möchte auch Nummer 3 auf seine Kosten kommen. Ich merke jetzt schon, dass es immer schwieriger wird, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu erfüllen. Ganz zu schweigen von der Logistik: versuchen Sie mal 2 Staubsauger und einen Kinderwagen samt 4 Personen in ihren Kleinwagen zu verstauen.

Ich ertappe mich immer öfter, kleine Ausflüge zu machen, wenn Evan in der Schule ist oder am Wochenende andere Abenteuer erlebt. Ausflüge mit meinem kleinen Michel sind keine Erholung. Es ist Arbeit. Harte Arbeit. Es bedeutet immer auf der Hut zu sein. Immer die kommenden Gefahren und Ablenkungen im Blick zu haben. Geht es gut? Oder können wir nach 10 Minuten wieder fahren. Jeder Ausflug gleicht einer Wundertüte. Man weiß bis zum Schluss nicht, was sich in der Tüte befindet oder in unserem Falle wie der Ausflug endet. Das macht müde und belastet die komplette Familie.

Hinzu kommt, dass die meisten Ausflüge für Evan eine Überwindung sind. Am liebsten ist er momentan zu Hause und spielt im Wohnzimmer, seinem 2. Kinderzimmer. Evan ist sehr gerne zu Hause und freut sich jedes Mal von einen seiner lieben Damen oder seinen Großeltern betreut zu werden. Also ist es ganz offensichtlich. Evan hat kein Problem damit, hin und wieder bei den Ausflügen nicht dabei zu sein. Es ist  – mal wieder –  mein Problem. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn Evan nicht dabei ist. Ich fühle mich schlecht, ihn unterzubringen und ohne ihn Abenteuer zu erleben. Nicht nur habe ich ein schlechtes Gewissen, ich bin traurig. Ich möchte, dass wir zusammen als Familie Abenteuer erleben und danach darüber sprechen und zusammen lachen. Ich möchte, dass wir gemeinsam einen Familienausflug auf den Weihnachtsmarkt machen.  Aber meine Wünsche sind nicht Evans Wünsche. Evan braucht und will oftmals diese Dinge nicht. Evan ist glücklich. Evan geht es gut. Evan hat kein Problem. Es ist mein Problem.

Hin und wieder kommt es durchaus vor, dass ich kein schlechtes Gewissen habe. Ende gut alles gut? Schön wärs, denn wenn ich schon einmal kein schlechtes Gewissen habe, kommt ganz automatisch der Zeigefinger meiner Umwelt:

„Wie, das kannst Du?“ Oder „Wie, das machst Du so?“

Ohne auch nur irgendeine reale Vorstellung zu haben, wie sich unser Leben anfühlt. Und prompt ist es wieder da: Das schlechte Gewissen. Mittlerweile sage ich ihm (dem schlechten Gewissen) „Hallo“, biete ihm oder ihr eine Tasse Tee an, um sie oder ihn danach schnell wieder rauszuschmeißen. Früher habe ich ihm/ihr noch ein Mittagessen und manchmal sogar ein Abendessen angeboten. Mittlerweile ist damit Schluss. Einen Tee und dann: Tschüß! Kurz zusammengefasst bedeutet es, dass ich mir nicht mehr so schnell bzw. nicht mehr so lange ein schlechtes Gewissen einreden lasse.

Umso älter Nummer 3 wird, umso präsenter wird eine Tatsache für mich: Ich werde viele Dinge mit Evans kleinem Bruder machen, die ich mit Evan nicht machen kann. Wir werden einige Ausflüge nicht zu viert unternehmen können. Diese Erkenntnis macht mich traurig. Sehr traurig. Und das ist auch in Ordnung. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass es wichtig ist, Dinge und Begebenheiten zu betrauern. Nur dann geht es weiter. Für mich zumindest. Wenn die Zeit des Betrauerns vorbei ist, geht es mir besser. Die Traurigkeit bleibt, aber ich beginne die Dinge anders zu sehen. Nicht nur von der einen Seite. Langsam wird noch eine andere Sichtweise erkennbar. Wie in diesem Falle. Es ist in Ordnung, dass ich hin und wieder das Bedürfnis verspüre, ohne eine Wundertüte auf Wanderschaft gehen zu wollen. Ich muss dem schlechten Gewissen noch nicht einmal eine Tasse Tee anbieten. Ich brauche ihn/sie gar nicht ins Haus zu lassen. Zudem werden es immer Unternehmungen oder Aktionen geben, die ich nicht mit Nummer 3 machen kann, sonder nur mit Evan. Nur mit dem großen Bruder. Auch wenn diese Aktionen weniger unter der normalen Vorstellung von Familienausflug fallen, haben sie für mich nicht weniger Bedeutung. Und was ist schon normal? Evan und ich haben unsere eigenen Familienrituale. Zudem halte ich daran fest, dass man nicht weniger Familie ist, nur weil man bestimmte Dinge nicht zusammen erleben kann. Familie bedeutet für mich nicht mehr, dass man immer und überall zusammen sein muss. Es ist mehr das Gefühl, trotz einer Distanz oder Unterschiede, zusammenzuhören.

Es wird Ausflüge geben, die werden wir zu dritt, zu zweit, alleine oder auch zu viert machen. Je nach Bedürfnissen und Besonderheiten orientiert. Spätestens wenn wir abends wieder nach Hause kommen und alle im Bett liegen sind wir zu viert. In meinem Herzen sind wir sowieso immer zu viert. Egal wo der eine oder andere gerade ist.

Auf die Familie. Egal in welcher Konstellation. 

 

 

 

 

 

 

 

Alles ist okay.

Alle suchen es. Alle wollen es. Ein kleines oder vielleicht auch ein etwas größeres
Stück vom Glück. „Haben wir nicht sogar ein Anrecht auf Glück„, vermag ich aus einigen Gesichtern zu lesen. Manchmal auch aus meinem. Ein Anrecht auf Glück. Gibt es so etwas? Haben wir ein Recht auf Glück? Ich weiß es nicht, aber wenn ich ehrlich bin, würde ich es mir hin und wieder wünschen. Es gibt Tage, an denen schätze ich mich glücklich. Sehr glücklich. Überaus glücklich. Da scheint mich das Glück anzulächeln und das Beste ist: es hört gar nicht mehr auf zu lächeln! Aber es gibt auch die anderen Tage. Die Tage, an denen ich mich vom Glück verlassen fühle. Ja, an diesen Tagen fühle ich mich sogar vom Pech verfolgt, ein wenig zumindest. Ganz nach dem Motto: Tschüss Glück. Hallo Pech.

„Hallo Pech“ – das habe ich in der letzten Zeit oft gesagt. Häufig bin ich in den letzten zwei Jahren an meine Grenzen gestoßen. Ich habe den Blick für „Alles hat etwas positives“ verloren. Mein „Inklusion-Welcome-Kampfgeist“ hat gelitten. Stark gelitten. Es sind Dinge passiert, die konnte ich mir nicht mehr schön reden. Egal von welcher Seite ich sie betrachtet habe, sie hatten einfach nichts positives und schönes an sich. Ein Kind mit einer Behinderung zu haben, ist oftmals schwierig. Größtenteils ist es harte Arbeit. Mein kleiner Michel wird älter und es treten Probleme auf, die ich vor ein paar Jahren weggelacht habe. Heute funktioniert das nicht mehr. Umso größer mein Michel wird, umso weniger passen wir in das System. Nicht, dass wir früher super hinein gepasst hätten, aber irgendwie haben wir es immer geschafft uns hinein zu mogeln. Irgendwie hatte ich damals noch das Gefühl, wir gehören dazu. Das funktioniert heute nicht mehr. Zumindest werden wir ziemlich schnell, eigentlich SOFORT, ertappt und enttarnt.

„Ihr kommt hier nicht rein. Und Tschüss!“ Oder „Ihr müsst wieder raus. Und Tschüss!“

Die Leuten sollen sich mal nicht so anstellen“ – Mitmenschen, die diesen Spruch (mehr ist es leider nicht) von sich geben, sind meistens die Menschen, die nach Evans ersten Wutanfall ihre Augen verdrehen und ihre Nase rümpfen. Ehrliche Inklusion sieht anders aus und fühlt sich definitiv anders an. Reaktionen, Kommentare, Äußerungen, die früher an mir herabgeprallt sind, treffen mich heute mehr. Gehen tiefer. Warum? Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Vielleicht ist mein Mutterschutzschild an manchen Stellen schon so überstrapaziert. Vielleicht merke ich aber auch immer mehr, dass Evans Verhalten in manchen Situationen einfach nicht mehr gesellschaftsfähig ist, nicht mehr zumutbar ist. An manchen Stellen sogar eine Gefahr besteht. Ein soziales Leben mit einem behinderten Kind zu leben, ist harte Arbeit. Manchmal, in letzter Zeit sehr oft, fehlt mir die Kraft alleine für das Organisieren, so dass ich im Endeffekt lieber auf ein Treffen mit Freunden verzichte. Einige Freundschaften halten das aus. Einige nicht.

Hinzu kommt, dass sich in den letzten zwei Jahren nicht nur meine Gefühlsebene verändert hat, sondern auch unsere Familienkonstellation. Mittlerweile leben Evan und ich in einem Patchworkkonstrukt. Aus 2 wurden 4. (Nummer 3 war letztes Jahr übrigens mein absolutes Glück. Das reine Glück. Nummer 4 war es ein Jahr davor und ist es immer noch). Meine Illusion von “Patchworkbilderbuchidylle at hoc“ hat sich in “Patchwork ist harte Arbeit besonders mit einem behinderten Kind“ verwandelt. Neben meinem Evan gibt es jetzt noch zwei weitere Menschen in meinem Leben, mit ganz eigenen Bedürfnissen und Wünschen. Oftmals sind die Bedürfnisse sehr unterschiedlich und durch Evans Behinderung stark belastet. „Einfach mal so“ geht bei uns nicht. Einfach mal so über den Weihnachtsmarkt zu gehen, einfach mal so ein Eis essen, einfach mal so spazieren gehen. All das was man als normal und alltäglich betrachtet ist für uns nicht möglich. Zumindest nicht in der Viererkonstellation. Dieser Umstand belastet mich sehr und macht mich traurig. So sehr ich mein Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga Leben auch liebe, manchmal sehne auch ich mich nach etwas langweiliger Normalität. (Übrigens hat sich mein Bild von einer „in meiner Elternzeit entdecke ich viele neue Talente und bin kreativ“ ziemlich schnell in „ich bin einfach nur müde und versuche das Chaos in den Griff zu bekommen“ verändert. So viel zum Thema Bilderbuch und Idylle.)

Ende gut alles gut? Nicht ganz. Leider ist es nicht immer so einfach. Aber was einfach, ganz einfach ist, ist die Liebe. Die Liebe zu meinen Kindern. So schwer das Leben mit Evans Behinderung auch sein mag, die Liebe zu Evan kann es nicht im Geringstes erschüttern. Alle Äußerungen, Ablehnungen, Kommentare, verdrehten Augen, rümpfenden Nasen und „einfach mal sos“ sind lächerlich im Vergleich zu dieser Liebe. Diese Liebe gibt mir Kraft. Jeden Tag aufs Neue. So mehr ich mich mit diesem Artikel auseinandersetzte, so mehr ich schreibe, umso bewusster wird mir, dass es egal ist, ob das Glücksgefühl oder das Pechgefühl bei einem eingezogen ist, denn die Liebe übertrifft beide. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass es okay ist, wenn man an seine Grenzen stößt. Das es okay ist, wenn man neue Wege einschlägt und alte hinter sich lässt. Es ist okay, wenn Freundschaften zerbrechen. Es ist okay, wenn man sich vom Glück verlassen fühlt und vom Pech verfolgt. Ich habe gelernt, dass alles okay ist. 

(P.S. Am Ende meiner Elternzeit werde ich mir doch noch eine Nähmaschine kaufen und mich kreativ finden und betätigen.)

 

 

 

 

Eine Auszeit, die keine Auszeit ist.

Liebe Leser,

sich eine Auszeit zu nehmen, eine kleine Pause vom Alltag, ist eine schöne und wohltuende Tat. Aber was macht man mit einer Auszeit, die gar keine Auszeit ist?

Ich nehme mir eine Auszeit. Eine bewusst gewählte Auszeit. Um einfach mal wieder zu mir zu finden. Wer bin ich überhaupt? Die Seele baumeln lassen. Wieder Kraft tanken. Ein schöner Gedanke. Eine schöne Idee. Aber was macht man, wenn man sich bewusst gar keine Auszeit nehmen kann?

Ich bin müde. Kaputt. Zerschlagen. Erschöpft. Kraftlos. Meinen Alltag aufrecht zu erhalten, kostet mich unendlich viel Kraft. Jeden Tag neu zu planen und gegebenenfalls zu improvisieren. Zu reagieren. Koordinieren. Jeder Tag ist ein gefühlter Ausnahmezustand. Ich setzte mich auf die Couch um kurz innezuhalten und es fängt an. Mein Gedankenkarussell setzt sich in Gang und fährt Runde um Runde. Egal ob ich bezahlt habe oder eigentlich gar nicht mitfahren möchte. Ich schaffe es nicht auszusteigen und stehe auf. Unterbreche den Kreislauf und versuche mich bewusst mit praktischen Aufgaben abzulenken. Bloß nicht zur Ruhe zu kommen. Bloß nicht innehalten.

                                   „Mach eine Pause.“
„Nimm Dir eine kurze Auszeit. Geh in die Sauna oder lies ein gutes Buch.“

Eine nette Idee. Gut gemeinte Tipps und Ratschläge. Aber was macht man, wenn ein Tag in der Sauna nicht mehr reicht, um sein Fass aufzufüllen? Was macht man, wenn man es noch nicht mal schafft die erste Seite eines guten Buches zu lesen, da die Gedanken immer wieder abschweifen? Was macht man, wenn an manchen Tagen sogar der Weg zum Briefkasten zu lang erscheint? Zu schwer. Die Angst vor neuen Anforderungen und Aufgaben einfach zu groß ist. Tage, an denen sogar das Duschen zu viel ist. Zu anstrengend ist. Zu lästig erscheint. Tage, an denen „nur mal eben“ das Abendessen besorgen und vorbereiten schlichtweg zu viel ist. Eine Nummer zu groß ist.

An diesen Tagen bin ich äußerst neidisch und extrem ungerecht. Menschen, die weniger Stress zu haben scheinen, wecken Gefühle in mir, die ich nie zu haben geglaubt hätte. Gefühle, für die ich mich schäme.

Ich fange an Verabredungen abzusagen. Ausreden zu suchen. Mich zu isolieren. Ignoriere meine E-Mails und Whats App Nachrichten. Ich lasse das Telefon unbeantwortet klingeln. Ich bin empfindlich geworden. Schnell eingeschnappt. Mit den Gedanken woanders. Vieles ist mir zu kompliziert geworden und ich bleibe lieber alleine. Von außen mag ich sonderlich wirken. Zickig. Kalt und distanziert. Vielleicht auch teilnahmslos. Manchmal auch zerstreut. Durcheinander.

Wo hat sie bloß ihren Kopf gelassen?“

Ich versuche zu lächeln. Gebe mich interessiert und äußerst freundlich. Oftmals wird mir dieses Lächeln abgekauft. Aber an manchen Tagen funktioniert noch nicht mal das und ich bleibe lieber alleine. Ein Miteinander von mir, meinem behinderten Kind und dem Rest der Gesellschaft – manche mögen es Inklusion nennen – scheint an diesen Tagen ihre Grenze zu haben, die auch ich nicht zu überwinden vermag. Die Diskrepanz zwischen meinen und anderen Bedürfnissen scheint einfach zu groß, zu unterschiedlich, zu sein.

Ich bekomme Besuch. In letzter Zeit klopft vermehrt die Angst an meine Tür. Nein, sie klopft nicht nur, sie hämmert. Die Angst und Sorge treten ein.  Es scheint, umso stärker ich versuche, sie zu ignorieren, umso gemütlicher machen sie es sich bei mir. Am Abend ist es besonders schlimm. Dann sitzen sie gefühlt auf meinen Schoß. Ich schlafe seit Wochen nicht mehr richtig und lasse mich von mehr oder weniger interessanten Geschichten in den Schlaf tragen.

Ich habe das Gefühl gegen einen Gegner zu kämpfen, der mir bei weitem überlegen ist. Der Ausgang des Kampfes schon vor dem Anfang offensichtlich ist. Trotzdem steige ich in den Ring. Die Zuschauer amüsieren sich. Das Stadion ist voll und mein Kampf ist gut besucht. Alle Zuschauen scheinen auf der gleichen Seite zu sitzen, scheinen dasselbe Leben zu führen nur ich bin irgendwie mitten drin aber nicht dabei. Und Evan? Mein kleiner Michel hüpft mal dort herum und hier herum. Immer mit einem Lächeln im Gesicht. Er scheint meine Diskrepanz nicht zu spüren. Dieses Mal ist es MEIN und nicht unser Kampf. Evan geht es gut und das freut mich aus tiefstem Herzen. Evan braucht keine theoretische Inklusion, da er sich in jeder Runde und Begebenheit selbst inkludiert. Egal ob es erwünscht ist oder nicht. Das ist ihm schlichtweg scheißegal. Evan ist immer dabei. Es scheint wunderlich, dass sich die Nicht-Behinderte in unserer Familie mehr Inklusion wünscht als der eigentlich Betroffene.

Ich möchte schöne und fröhliche Bilder posten mit schönen und fröhlichen Unterschriften. Ich möchte einen Artikel schreiben wie unbeschwert unsere letzte Urlaubsreise nach Italien war und wie gut erholt ich zurückgekehrt bin. Wie aufgefüllt mein Fass ist und wie sehr ich vor Kraft strotze. Schreiben, dass ich etliche Latte Macchiatos in der Sonne genossen habe. Schreiben, dass ich alles schaffe und es mir hervorragend, ja blendend geht. Dass nach dem Regen direkt die Sonne scheint und man immer das Licht am Ende des Tunnels sieht. Aber das wäre in meiner jetzigen Phase nicht wirklich ehrlich sondern schlicht gelogen.

Nach dem Regen scheint die Sonne. Den Ausspruch, den ich vor ein paar Zeilen noch dementiert habe, scheint in meiner jetzigen Phase in abgeänderter Form zuzutreffen. Die Sonne scheint im Regen. Das mag kitschig klingeln oder nach einem gewollten, erzwungenen, Happy End. Ganz nach dem Motto: Ende gut alles gut. Nein. Kein gewolltes oder erzwungenes Happy End eher ein tiefes Gefühl seit Langem mehr bei mir zu sein. Meine Gefühle, egal ob positiv oder negativ, ernst zu nehmen. Sie nicht einfach mehr nur zu ignorieren und zu funktionieren.

Ich nehme mir seit sehr langer Zeit das Recht heraus, nicht zu telefonieren oder E-Mails zu beantworten. Ich versuche nicht zu lächeln, wenn mir nicht danach ist. Die Frage „Wie geht es Dir?“ ehrlich zu beantworten. Egal ob es erwünscht ist oder nicht. Wenn ich es nicht schaffe, noch schnell einen Kuchen für den Geburtstag meiner Freundin zu backen, dann sage ich es direkt oder indirekt (ich gehe einfach nicht ans Telefon). Wenn mir ein Treffen mit Freunden zu kompliziert oder umständlich erscheint, dann spreche ich es aus. Auch mit der Gefahr „die Komische“ zu sein. Diejenige zu sein, die immer eine Extrawurst braucht.

Ich bin angekommen. Angekommen an einem Wendepunkt. Das spüre ich ganz deutlich. Jede Phase meines Körpers zeigt es mir ganz klar. Es zu ignorieren bringt nichts, da mein Körper rebelliert. Meine innerliche Armee ist aufmarschiert und wird sich dieses Mal nicht einfach wieder zurückziehen oder sich mit einem Saunabesuch zufrieden geben. Einen Kampf gegen meinen Körper und meine Gefühle zu führen, ist sinnlos. Und ganz ehrlich, das möchte ich auch nicht. Das habe ich lange genug getan. Mein Körper und meine Gefühle geben Acht auf mich. Sie sind nicht, wie lange Zeit angenommen, mein Feind sondern ein liebevoller Freund. Ein Freund, der es ehrlich mit mir meint.

Ich mag das Licht am Ende des Tunnels – noch – nicht sehen aber ich gehe weiter geradeaus. Davon gehe ich zumindest stark aus. Im Dunkeln ist es bekanntlich nicht immer einfach, herauszufinden in welche Richtung man läuft.

Es stehen Veränderungen an. Kleine und große. Einfache und schwierige. Egal wie aufwühlend diese Zeit auch sein mag, irgendwie macht mir diese Veränderung Mut und gibt mir Kraft. Ich fühle mich befreit und erleichtert. Befreit von eigenen sozialen Zwängen und Vorstellungen und erleichtert von schwerem Gepäck. Ballast.

Liebe Leser, ich hätte mir gewünscht diesen Artikel in der Vergangenheitsform zu schreiben und mit dem Satz „Ende gut alles gut“ aufzuhören. Stattdessen befinde ich mich in der Gegenwart, mittendrin in meinem Prozess, dessen Ausgang ich noch nicht genau benennen kann. Aber ich bin mir sicher, irgendwann komme ich irgendwo an. Und dort wird dann auch die Sonne scheinen.

Herzlichst
Marcella

 

Anders und (un)sichtbar.

Du bist gut so wie Du bist“ ist das Lebensmotto von Heike. Heike ist 44 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann Maik und ihren Söhnen Hendrik (17) und Thies (7) in Ostfriesland. Hendrik hat ADS und ist Legastheniker. Thies ist auch ADSler mit einer hochgradigen Hyperakusis, eine Überempfindlichkeit der Hörorgane, und trägt Hörgeräte. 

Magst Du Dich und Deine Familie kurz vorstellen? Was ist bei Dir /Euch andDSC_5319ers und unsichtbar?
Zu unserer Familie gehören Hendrik (17) Thies (7) Maik und ich! Hendrik ist ADSler mit hyperaktiven Zügen. Eine Autismusdiagnostik haben wir nicht mehr gemacht, weil es ohne Konsequenzen für uns gewesen wäre. Des Weiteren ist Hendrik Legastheniker.

Thies hat auch ADS und zudem noch eine hochgradige Hyperakusis. Beide Kinder hatten (bzw Thies hat immer noch) depressive Tendenzen. Sie merken, dass sie anders sind als andere und das belastet sie. Hendrik hatte 5 Jahre Psychotherapie, die ihm sehr gut getan haben! Thies beginnt im Herbst mit seiner Therapie.

Wo und wie wird Deine/Eure unsichtbare Behinderung im Alltag sichtbar? Wie beeinflusst Dich/Euch die Behinderung im Alltag?
Was unser Familienleben von anderen unterscheidet? Hm, ich kann das gar nicht mehr so genau sagen, denn für uns ist es ja mittlerweile alles normal. Wenn ich ein paar  Jahre zurückdenke, dann hat es mich immer gestört, dass wir nie spontan etwas unternehmen konnten. Alles musste streng strukturiert sein, ein gefasster Plan umgesetzt werden. Hendrik braucht durch das ADS eine ganz klare Struktur. Als sich diese Diagnose bei Thies auch heraus kristallisiert hat, waren wir schon vorbereitet und es hat uns nicht mehr aus den Socken gehauen. Dennoch ist es nicht immer leicht, denn wir müssen immer für unsere Kinder denken. Ich muss immer im Blick haben, wann es ihnen zu viel werden könnte. Beide können den Punkt zum Runterfahren selten selbst erkennen. Darum werde ich häufig als Helikoptermutter betitelt, was mich total nervt. Ich beschütze meine Kinder da, wo sie es selbst nicht können. Thies alleine mit dem Fahrrad zur Schule fahren lassen, würde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gut gehen, weil er so unkonzentriertDSC_5342 fährt, dass es zu einem Unfall kommen würde. Wir sind ganz oft in Erklärungsnot. Gefühlte 1000 Mal musste ich die Legasthenie von Hendrik erklären. Nie ist sein Weg so realisierbar, wie es bei anderen der Fall sein kann. Ich muss erklären, dass er einen normalen Intelligenzquotienten hat aber trotzdem anders lernen muss als andere. In Bezug auf Thies muss ich erklären, was eine Hyperakusis ist. Ich sage immer, dass er einfach zu gut hört und ihm das meiste zu laut ist. Und auf die Frage warum er denn dann Hörgeräte trägt muss ich den Leuten erklären, dass sein Gehirn das gesprochene Wort nur schwer aufnehmen kann. Thies beeinträchtigt sein unsichtbares Anderssein von daher, dass er nicht alles machen kann, was andere Kinder machen. Kino zum Beispiel, Kindergeburtstage und vieles mehr! Aber wir sind auf einem guten Weg und vieles wird besser.

Uns als Eltern beeinträchtigt es uns oft, da unsere Kinder so gut wie nie still sind. Wenn sie nicht reden (was so gut wie nie vorkommt) dann hampeln sie herum. Und das macht uns manchmal echt fertig.

Was war die blödeste Reaktion in Bezug auf Deine Behinderung, mit der Du je konfrontiert warst?
Die blödeste Reaktion war, dass jemand, auf meine Erklärung warum Hendrik den sonderpädagogischen Förderbedarf bekommt, gesagt hat: „Eeeeeecht? Das hätte ich ja nie gedacht. Er wirkt ja so ganz normal!“

Was war Dein positivstes Erlebnis in Bezug auf Deine Behinderung im Alltag?
Das positivste Erlebnis was 20160617_191109wir in Bezug auf die Legasthenie erlebt haben, war, dass Hendrik seinen Hauptschulabschluss geschafft hat, obwohl er laut Förderlehrerin und Schulleiter eigentlich noch nicht mal einen Förderschulabschluss bekommen sollte. Er wäre viel zu schlecht! Das hat uns motiviert ihnen zu zeigen wie falsch sie liegen würden. Unser persönlicher Rachefeldzug. Hendrik hat mit einer 1 in Mathematik die Schule verlassen! Ansonsten sind die schönsten Erlebnisse, dass man von Ärzten ernst genommen wird!

Welche Reaktionen und Verhaltensweisen Deiner Mitmenschen würdest Du Dir wünschen?
Ich finde es gut, wenn Menschen fragen, was bei unseren Kindern anders ist, sie sollen es aber bitte nicht anzweifeln. Vor allem nicht unsere Therapeuten, die wir uns mühsam zusammengesucht haben.

Hast Du einen Tipp, wie man mit doofen Situationen und unfreundlichen Menschen umgehen kann?
Nein, leider nicht. Ich bin selber auf der Suche nach einem Tipp.

Würdest Du Dir wünschen, dass Deine Behinderung (Eure Behinderung) sichtbarer wäre? Wenn ja/nein, warum?
Das ist eine sehr schwere Frage. Ich glaube manchmal, dass es leichter wäre, denn dann hätte „das Ganze“ wahrscheinlich eine Nummer bei der Kasse und wir müssten nicht für jedes Hilfsmittel kämpfen bzw so vieles selbst bezahlen.

Hattest Du schon einmal (unbegründete) Vorurteile einem anderen Menschen gegenüber? Wenn ja, warum?
Ja, solche Vorurteile habe ich mittlerweile. Denn ich vertraue fast niemandem mehr. Mir immer sagen zu lassen, (meistens hinter meinem Rücken) ich würde es ja schrecklich übertreiben und mich „wichtigmachen“ wollen, ist nicht schön und macht misstrauisch.

Woraus ziehst Du/Ihr Kraft? Was ist Deine/Eure Insel des Alltages?
Wir beziehen unsere Kraft daraus, dass sich der Kampf für die Kinder lohnt. Das Wissen, dass wir unseren Kindern den Weg bereiten müssen, damit sie im Leben zurechtkommen!

Wie sieht für Dich eine ehrliche Begegnung aus?
Offen auf uns zugehen und Fragen stellen und uns glauben, dass wir alles machen was möglich ist!

Vielen Dank liebe Heike für diese offene und ehrliche Begegnung!
Fotos © Heike 

Anders und (un)sichtbar.

Immer im jetzt leben“ ist das Lebensmotto von Katrin und ihrer Familie. Katrin ist 34 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern, Lina und Dominik, in Nürnberg. Dominik ist 1 Jahr alt und kam mit einem Herzfehler, Pulmonalstenose, auf die Welt. Zusätzlich hat er dieses Jahr die Diagnose Dravet Syndrom, eine seltene und schwere Epilepsieform, erhalten. Dominik hat die Pflegestufe 1 und einen GBH (Grad der Behinderung) von  80%.

Katrin © Katrin & Dominik

Magst Du Dich und Deine Familie kurz vorstellen? Was ist bei Dir /Euch anders und unsichtbar?
Wir sind zu viert. Lina ist die große Schwester und wird Ende August schon 4 Jahre alt. Sie ist gesund. Dominik kam letztes Jahr im April auf die Welt. In der zwanzigsten Schwangerschaftswoche haben die Ärzte bei einem Organscreening einen kleinen Herzfehler in Form einer Pulmonalstenose festgestellt. Dies war für uns schon sehr besorgniserregend. Direkt nach der Geburt kam Dominik gleich auf die Intensivstation zur Überwachung. Die Stenose war zum Glück „noch“ in einem guten Bereich, so dass wir mit einem, wie wir bis zu diesem Zeitpunkt glaubten, sonst gesunden Kind nach Hause entlassen wurden. Dies änderte sich schlagartig als Dominik 3 Monate alt war und er plötzlich abends gegen 17 Uhr seinen ersten Anfall erlitt. Niemals werde ich diesen Moment und den Schrecken vergessen. Er atmete komisch, zuckte mit seinen Ärmchen und Beinchen und seine Augen waren verdreht. Wir haben sofort den Notarzt gerufen. Von da an begann unsere Reise zwischen Hoffen und Bangen. Nach vielen weiteren Anfällen, die kaum zu unterbrechen waren und meist durch einen Infekt und ein Fieber ausgelöst wurden, waren wir fast wöchentlich in der Klinik. Im Januar diesen Jahres erhielten wir dann die Diagnose Dravet Syndrom.

Katrin © Katrin & Dominik

Katrin © Katrin & Dominik


Wo und wie wird Deine/Eure unsichtbare Behinderung im Alltag sichtbar? Wie beeinflusst Dich/Euch die Behinderung im Alltag?
Dominik kann Hitze, helles Licht und Trubel nur schlecht vertragen. Alles können Auslöser für einen Anfall sein. Neben großen Anfällen hat er auch viele kleinere Anfälle. Er zuckt für Sekundenbruchteile zusammen, als wenn er einen Stromschlag bekommt. Diese Anfälle hinterlassen oft Schmerzen. Es ist sehr einschränkend. Mal eben auf den Spielplatz, zum Kinderturnen, ins Schwimmbad oder in den Urlaub, funktioniert sehr schlecht. Alles muss auf seine Verfassung abgestimmt werden und man muss immer gewappnet sein. Wir fahren nur zu Orten und Plätzen, die auch ein Notarzt gut erreichen kann. Dominik braucht zudem für alles etwas länger und gibt sein eigenes Tempo vor. Aktuell krabbelt Dominik.

Für seine Schwester ist es oftmals nicht leicht, da sie häufig zurückstecken und Verständnis aufbringen muss. Wir versuchen ihr den Alltag so normal wie möglich zu gestalten.

Was war die blödeste Reaktion in Bezug auf Deine Behinderung, mit der Du je konfrontiert warst?
Als die Diagnose „Epilepsie“ gestellt wurde (noch bevor wir von dem Dravet  Syndrom wussten) sagte eine gute Freundin:

Gott sei Dank nix schlimmes“ 

Katrin © Katrin & Dominik

– während für mich gerade die Welt stehen geblieben ist. 

Was war Dein positivstes Erlebnis in Bezug auf Deine Behinderung im Alltag?
Wir haben so viel Unterstützung, Halt und Zuspruch erfahren. In den schwersten Zeiten zeigte sich wer wirklich für uns da ist. Unsere Familie  und unsere Freunde waren und sind immer an unserer Seite.

Welche Reaktionen und Verhaltensweisen Deiner Mitmenschen würdest Du Dir wünschen?
„Behinderung“ hat leider so einen negativen Touch, nicht mal ich nehme dieses Wort gerne in den Mund. Es wird oft als Schimpfwort benutzt.  Ich wünsche mir, dass Behinderung einfach auch „normal“ ist und nicht zu einer Randgruppe gezählt wird.

Hast Du einen Tipp, wie man mit doofen Situationen und unfreundlichen Menschen umgehen kann?
Nein, nicht wirklich. Mich bringen doofe Situationen in Rage und ich äußere meinen Unmut einfach laut. Gerade wenn es um meine Kinder geht, kann ich nicht ruhig bleiben. Da kommt die Löwenmama zum Vorschein.

Würdest Du Dir wünschen, dass Deine Behinderung (Eure Behinderung) sichtbarer wäre? Wenn ja/nein, warum?
Nein, Dominik ist perfekt so wie er ist. Allerdings ist er auch noch sehr klein, vielleicht ändert sich meine Meinung hierzu noch.

Hattest Du schon einmal (unbegründete) Vorurteile einem anderen Menschen gegenüber? Wenn ja, warum?
Ja, es ist der erste Eindruck der manchmal eine bestimmte Schublade öffnet. Ich wurde aber schon öfter eines Besseren belehrt.

Woraus ziehst Du/Ihr Kraft? Was ist Deine/Eure Insel des Alltages?:

Katrin © Katrin & Dominik

Katrin © Katrin & Dominik

Aus dem Lachen meiner Kinder, aus kleinen Auszeiten beim Sport oder mit Freunden. Manchmal aber auch einfach nur auf dem Sofa.

Wie sieht für Dich eine ehrliche Begegnung aus?
Ein aufrichtiges Lachen! Was kann schöner sein, als eine ehrliche und freundliche Begegnung?

Vielen Dank liebe Katrin für das ehrliche Interview! 

Anders und (un)sichtbar.

„Man kann nur das Beste daraus machen“ ist das Motto unserer ersten Anders und (un)sichtbar Interviewpartnerin Katti Kölbl. Ihr Sohn Maximilian (Mimi) ist mit der Behinderung Spina Bifida geboren. Die Spina Bifida, offener Rücken, ist eine angeborene Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks, die in verschiedenen Schweregraden auftreten kann.

Katti lebt zusammen mit ihrem Sohn in München. Der Vater von Mimi lebt aus beruflichen Gründen im Ausland. Mimi hat Pflegestufe 1 und einen GDB (Grad der Behinderung) von 50 und das Merkzeichen H.   

Magst Du Dich und Deine Familie kurz vorstellen? Was ist bei Dir /Euch anders und   unsichtbar?
Mein Sohn Mimi wurde 2011 mit Spina Bifida geboren. Wir haben bis zum zweiten Tag nach der Geburt nichts davon gewußt. Leider hat mich auch nach der Diagnose niemand wirklich informiert und ich habe mir alles selbst erlesen und mir Selbsthilfegruppen gesucht.

Im Falle von Frühgeburten werden die Eltern viel mehr aufgefangen. Spina Bifida ist zwar die mit am häufigsten auftretende Fehlbildung, aber irgendwie scheint es hier wenig an Begleitmaterial zugeben.

Mimi & Katti Kölbl © Katti Kölbl

Mimi & Katti Kölbl © Katti Kölbl

Mimi hat eine gedeckte Spina und wurde erst kurz vor seinem dritten Geburtstag operiert. Er ist Läufer und niemand sieht die Narbe, wenn er bekleidet ist. Wir haben von Anfang an, wie alle Familien mit besonderen Kindern, viel mehr an wichtigen Terminen wahrzunehmen und zu organisieren gehabt.

Er ist ein super positives, fröhliches und offenes Kind. Trotz diverser Arzttermin ist er immer sehr aufgeschlossen und kooperativ bei den Untersuchungen.

Wo und wie wird Deine/Eure unsichtbare Behinderung im Alltag sichtbar? Wie beeinflusst Dich/Euch die Behinderung im Alltag?
Seit Mimi nun 4,5 Jahre alt ist muss er alle 3-4 Stunden kathetert werden. Vorher war mir seine Beeinträchtigung nicht so stark bewußt, da wir bis auf Arzttermine, Physio, Ergo keine in meinen Augen extremen Einschränkungen hatten.

Auch mit Erhalt des SBA, ist es mehr in den Vordergrund gerückt. Ich plane viel mehr, da ich ja immer alle Utensilien dabei haben muss und Aktivitäten nicht immer einfach unter-oder abbrechen kann, um schnell zu kathetern. Auch sind die Räumlichkeiten nicht immer ideal. Lieber mache ich es also in einer geschützten Ecke, als auf einer nicht so sauberen öffentlichen Toilette.

Dazu kommt noch, dass Mimi keine weiten Strecken laufen. Dies fällt jedoch auf den ersten Blick nicht auf, da er sehr aktiv ist. Abends hat er oft Schmerzen in den Beinen oder muß zwischendurch getragen werden.  Viele wundern sich, warum ich ein so großes Kind noch trage und sagen mir, ich solle das lassen. Als Mutter weiß ich aber, was mein Kind braucht und auch, was ich mir selbst zumuten kann.

Mimi © Fotografin Susanne Krauss

Mimi © Fotografin Susanne Krauss

Was war die blödeste Reaktion in Bezug auf Deine Behinderung, mit der Du je konfrontiert warst?
Das war die Aussage einer sehr guten Freundin, bei der sie eigentlich über eine andere Bekannte sprach und gar nicht merkte, dass es mich traf.

Ihre Bekannte wollte die getragene Kleidung des Sohnes meiner Freundin nicht, da sie ihr nicht so gut gefiel. Meine Freundin kommentiert das bei mir mit:

„Mir ist es wichtiger, dass mein Kind gesund ist und nicht wie es aussieht.“

Meine Antwort dazu war: Meiner ist nicht gesund, sieht dafür aber gut aus! Es war ihr gar nicht bewußt, dass ich ein Kind habe, was nicht gesund ist. Wohl auch daher, dass Mimi sehr aktiv und fröhlich ist…

Was war Dein positivstes Erlebnis in Bezug auf Deine Behinderung im Alltag?
Ich habe viele Menschen als besonders hilfsbereit erlebt, wenn heraus kam, dass mein Sohn eine Behinderung hat und sie bemerkt haben, wie viel mehr Aufwand ich oft dadurch habe. Meine Kollegen und Chefin sind unglaublich verständnisvoll und auch mitfühlend was unsere Situation angeht. Hier bekomme ich teilweise mehr Rückhalt, als von der eigenen Familie.

Welche Reaktionen und Verhaltensweisen Deiner Mitmenschen würdest Du Dir wünschen?
Ich glaube wie die meisten Eltern, dass offen nachgefragt und nicht getuschelt wird. Ebenso finde ich dieses ewige Vergleichen der Kinder schrecklich. Jedes Kind, ob gesund oder mit Beeinträchtigung, entwickelt sich unterschiedlich.

Hast Du einen Tipp, wie man mit doofen Situationen und unfreundlichen Menschen umgehen kann?
Ich spreche das einfach an. Manchmal, wenn ich etwas besonders blöd finde, sage ich es so laut, dass diese Person es hört. Ein Beispiel aus einem anderen Bereich:

Jemand geht vor uns bei Rot über die Straße. Hier sage ich dann immer sehr laut zu meinem Sohn: „Schau mal, der/die ist ja doof. Dabei weiß doch jedes Kind, dass man bei Rot nicht gehen darf!“

Außerdem schlägt man unfreundliche Menschen mit extremer Freundlichkeit.

Katti & Mimi © Fotografin Susanne Krauss

Katti & Mimi © Susanne Krauss

Würdest Du Dir wünschen, dass Deine Behinderung (Eure Behinderung) sichtbarer wäre? Wenn ja/nein, warum?
Ein klares nein! Ich möchte, dass Mimi so normal wie möglich behandelt wird. Kinder spüren sowie so, dass bei ihnen etwas anders ist, daher muss dies zumindest in unserem Fall, nicht noch unterstützt werden. Außerdem sind viele Menschen sehr unsicher, was Behinderungen angeht und halten sich daher lieber zurück.

Hattest Du schon einmal (unbegründete) Vorurteile einem anderen Menschen gegenüber? Wenn ja, warum?
Leider ja. Wir urteilen alle schnell aufgrund von Äußerlichkeiten, auch wenn wir das nicht sollten. Ich denken davon ist fast niemand ausgeschlossen.

Woraus ziehst Du/Ihr Kraft? Was ist Deine/Eure Insel des Alltages?
Ich gönne mir regelmäßig Auszeiten nur für mich. Außerdem ist Mimi ein sehr fröhlicher kleiner Kerl, das motiviert mich immer wieder.

Wie sieht für Dich eine ehrliche Begegnung aus?
In dem man sich höflich anderen Menschen gegenüber verhält. Ich muss nicht jeden mögen, aber ich kann jeden Menschen höflich behandeln.

Liebe Katti, lieber Mimi, ich danke Euch von Herzen für diese ehrliche Begegnung.