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Für 2016 wünsche ich Dir…

Mein lieber Evan,

ich wünsche Dir Menschen, die Dir liebend gerne ihre Haarbürsten oder Tennisschläger leihen, damit Du kurz auf ihnen Gitarre spielen kannst. Ich wünsche Dir Menschen, die sich einfach lauter unterhalten, wenn Du mal wieder etwas geräuschvoll unterwegs bist. Ich wünsche Dir Hundebesitzer, die mit Dir zusammen lachen, wenn Du mal wieder sehr detailliert deren Hunde imitierst. Ich wünsche Dir Kaffee- und Restaurantbesitzer, die sich freuen, wenn Du umher läufst und lauthals lachst. Ich wünsche Dir Kassierer und Kassiererinnen, die Dich mit einem Lächeln begrüßen und Kunden, die sehr viel Geduld und Verständnis haben. Ich wünsche Dir Supermarktbesitzer, die sich freuen, wenn Du ihre Produkte schon im Laden ausprobierst und ich wünsche Dir Bademeister, die Dich willkommen heißen. Ich wünsche Dir Gitarristen, die Dir ganz selbstverständlich ihre Luftgitarren geben damit ihr zusammen Musik machen könnt. Ich wünsche Dir sogar ein riesengroßes Orchestra, deren Herzenswunsch es ist, einmal mit Dir musizieren zu dürfen. Ich wünsche Dir einen Traktorfahrer, der für Dich seine Fahrt unterbricht damit Du seelenruhig seine Reifen inspizieren kannst. Ich wünsche Dir einen Friseur, der mit Dir zusammen auf seinen Haarbürsten „Old McDonald had a farm“ spielt und Dir ganz nebenbei die Haare schneidet. Ich wünsche Dir Mitmenschen, die Dir ganz selbstverständlich eine zweite Pommes abgeben, nachdem Du die Erste von deren Teller stibitzt hast. Ich wünsche Dir Karussellbesitzer, die Dich die erste Runde auch ohne Chip fahren lassen. Ich wünsche Dir Freunde und Mitmenschen, die ein Auge auf Dich haben. Ich wünsche Dir Menschen, die Geduld mit Dir haben und in Deinem Tempo neben Dir gehen. Ich wünsche Dir Ärzte und Therapeuten, die mit Dir um die Wette laufen und Dich ganz nebenbei therapieren und behandeln. Ich wünsche Dir Nachbarn, die mit Dir zusammen im Garten Trampolin springen. Ich wünsche Dir einen kleinen Freund, der stundenlang mit Dir – immer in der gleichen Reihenfolge – rutscht und Deine Art zu spielen liebt. Ich wünsche Dir, dass dieser kleine Freund wundervolle Eltern hat, die Dich einladen und sich freuen, wenn Du zu Besuch kommst. Ich wünsche Dir Campingurlauber, die Dir schon von weitem zu winken und Dich einladen über deren kostbaren Kunstrasen zu fahren. Ich wünsche Dir Jahrmarktbesitzer, die Dich liebevoll fragen, ob das Lebkuchenherz schmeckt, welches Du unaufgefordert probiert hast. Ich wünsche Dir Ikea Verkäuf- und Verkäuferinnen, die sich freuen, dass Du sie besucht hast und das Chaos was Du hinterlassen hast lächelnd zur Seite schieben. Ich wünsche Dir einen Sportverein, im dem Du nach Deinen eigenen Regeln spielen darfst und einen eigenen Fanclub, der Dich vom Spielfeldrand bejubelt. Ich wünsche Dir eine Hotelkette, in der sie es kaum erwarten können bis Du wieder bei ihnen Urlaub machst und sie weinen, wenn Du wieder abreist. Ich wünsche Dir Konzerte und Veranstaltungen, auf denen Du einfach mit auf die Bühne darfst und Animateure, die Dich mit Deinem Namen begrüßen.

Für das Jahr 2016 wünsche ich Dir, dass Deine kleine unabhängige Seele in Ruhe und voller Vertrauen wachsen kann. Ich wünsche Dir Menschen an Deiner Seite, die es nicht abwarten können, mit Dir in Deine kleine Welt abzutauchen und wenn sie wieder auftauchen Dich in Deiner ganzen Schönheit und Vollkommenheit sehen. Ich wünsche Dir, dass die Menschen Dich so nehmen wie Du bist und sich von Deiner einzigartigen und besonderen Art verzaubern lassen. Ich wünsche Dir, dass Deine Mitmenschen anstatt mir Dir zu reden andere Wege finden, um mit Dir zu kommunizieren und anstatt Dich zu isolieren, Abenteuer für Dich erschaffen. Ich wünsche Dir Menschen, die anstatt Dich zu bemitleiden, Dich respektieren und Dich achten und sich auf das konzentrieren was Du kannst (aus Huygen Hilling). Ich wünsche Dir Menschen, die über den Tellerrand hinweg schauen und Dein Anderssein nicht als frech und ungehorsam sondern als etwas besonderes und Einzigartiges wahrnehmen und sich unendlich freuen und dankbar sind, so einen wundervollen und bezaubernden kleinen Menschen kennengelernt zu haben. Ich wünsche Dir eine Welt voller Liebe und Verständnis, eine Welt, in der Dir jemand ganz selbstverständlich eine Leiter reicht, damit Du wie die Anderen einen Apfel pflücken kannst. Eine Welt, in der es normal ist, verschieden zu sein. Zu guter Letzt wünsche ich Dir das Herz eines Löwens.

Ich wünsche Dir einen Regenbogen,
der Hoffnung gibt und Brücken schlägt,
und der Dich mit seinen Farben
durch jeden grauen Alltag trägt.

Das mein lieber Evan wünsche ich Dir vom Herzen. In Liebe, Mama.

In der Weihnachtsbäckerei…

 

Ganz nach dem Motto: Geht nicht, gibst nicht! In meinem Artikel „Manchmal möchte ich nach Italien..“ habe ich über die Dinge geschrieben, die ich mit Evan noch nicht gemacht habe und wahrscheinlich auch nie machen werde bzw. kann… Aber dem wurde jetzt Abhilfe geschaffen! Dank Evans tollen Autismustherapeutinnen habe ich mit Evan zusammen das erste Mal Weihnachtskekse gebacken und das wurde natürlich gleich auf Video festgehalten! Was auf dem Video so einfach aussieht, führt allerdings auf ein langes Training, knapp 1.5 Jahre, zurück.

Das hat mich so motiviert, dass ich mir die anderen Dinge, die ich in meinem Artikel erwähnt habe auch direkt angehen werde:

  • Laterne laufen,
  • Nikolauslaufen,
  • Kekse für die Weihnachtszeit backen,
  • abends ein Buch vorlesen,
  • einen Walt Disney Film zusammen schauen.

Kekse backen wäre damit abgehakt! Als nächstes werde ich Laterne laufen in Angriff nehmen… und wenn Evan nur 1 Minute mit der Laterne draußen herumläuft – wir werden Laterne laufen! Die meisten Laternen waren nach einigen Sekunden direkt kaputt, daher ist eine Minute gar nicht so schlecht!

Ich werde natürlich berichten!

 

 

Mutter sein, Frau bleiben

Wenn ich Glück habe geht Evan um 19 Uhr schlafen. Wenn ich Pech habe, wird es 21 Uhr. Dann habe ich noch etwas Zeit für mich. Da ich am nächsten Morgen allerdings früh aufstehen muss, um zur Arbeit zu fahren, gehe ich meistens zeitig ins Bett. Wenn ich Glück habe kann ich durchschlafen oder werde nur 1 bis 2 Mal die Nacht „liebevoll wach gemacht“. Wenn ich Pech habe, ist meine Nacht gegen 3 Uhr erstmal zu Ende und ich kann ab 5 Uhr noch eine Stunde schlafen. Leider klingelt gegen 6 Uhr schon wieder mein Wecker. Ich benutze die Snoozle Funktion dann bis zum Äußersten aber irgendwann muss leider auch ich aufstehen und die Routine beginnt: mich fertig machen, Evan wecken & fertig machen. Evan wird gegen 07:00 (2x die Woche erst um 08:30 aufgrund seiner Schlafprobleme) von dem Bus der Lebenshilfe abgeholt. Danach schnell zur Arbeit fahren, immer die Zeit im Nacken, da ich pünktlich bei der Arbeit ankommen muss. Ansonsten schaffe ich meine Stunden nicht. Nach 5 Stunden bei der Arbeit, fahre ich schnell los, um wieder pünktlich zu Hause zu sein. Ein erneuter Blick auf die Uhr: 5 Minuten hänge ich meinem Zeitplan nach. Der Bus mit Evan steht schon vor der Tür und wartet – und das schon zum 2. Mal diese Woche! Oh nein, es tut mir leid. Schnell Evan aus dem Bus holen und dann in die Wohnung. Mittlerweile ist es 14:40. Jetzt haben wir noch knapp 20 Minuten und dann müssen wir schon wieder los. Wechselweise zur Autismus-, Ergo- oder Reittherapie. Dazu kommen noch die regelmäßigen Arzt- und Kardiologentermine. Wir sind dann meistens gegen 18 – 18:30 Uhr wieder zu Hause. Dann essen wir zusammen Abendbrot und danach fängt das „zu Bett gehen“ Ritual an. Das kann sich bis zu 3 Stunden in die Länge ziehen. Wenn Evan dann irgendwann eingeschlafen ist, habe ich noch 1 bis 2 Stunden für mich. Und dann fängt am nächsten Morgen bzw. schon in der Nacht das Ganze wieder von vorne an. Und täglich grüßt das Murmeltier…

An den täglichen Stress kann man sich gewöhnen. An den Schlafmangel allerdings nicht. Wenn es eine Nacht in der Woche betrifft ist es noch in Ordnung. Wenn es allerdings öfter ist, merke ich langsam wie mein Nervenkostüm immer und immer dünner wird. Ich mutiere dann langsam zu einem richtigen Monster, nicht nur innerlich sondern auch äußerlich. Irgendwann lassen sich die Augenringe nicht mehr überschminken und meine Körperhaltung ähnelt immer mehr der des Klöckners von Notre Dame. Spätestens ab diesem Zeitpunkt kann ich genauso laut, wenn nicht sogar lauter, schreien als Evan.

Der Tag hat nur 12 Stunden und ich habe nur 2 Hände, das habe ich irgendwann eingesehen. Ich kann das einfach nicht alleine schaffen. Das ist schlichtweg unmöglich. Evans Großeltern unterstützen uns wo sie nur können aber Evan wird im Alter nicht einfacher und im Krankheitsfall brauchte ich eine Lösung. Eine Freundin hat mir vom ambulanten Kinderhospizdienst berichtet. Anfangs war ich sehr skeptisch und mich hat das Wort Hospiz abgeschreckt, da es etwas Endgültiges und Trauriges mit sich brachte, was sich schlecht mit unserem Alltag und Leben in Verbindung bringen wollte. Evans Herzfehler ist lebensverkürzend, daher können wir den Hospizdienst in Anspruch nehmen. Allerdings habe ich schnell festgestellt, dass das Wort  Traurigkeit gar nicht zu dem ambulanten Dienst passt, da es um etwas ganz anderes geht, um liebevolle Unterstützung im Alltag. Schnell wurde jemand für Evan gefunden: Elisabeth. Elisabeth und Evan haben sehr schnell einen Zugang zueinander gefunden. Seit einigen Monaten kommt Elisabeth nun 1x die Woche zu uns. Zudem nehme ich den Verein Gemeinsam E.V. in Anspruch, den ich durch die zusätzlichen Betreuungskosten und die Verhinderungshilfe finanzieren kann. Dort hatten wir das Glück Evi kennengelernt zu haben, die uns ebenfalls 1x die Woche unterstützt.

Mutter sein und Frau bleiben. Darf man das überhaupt? Ich habe ein behindertes Kind und darf keine eigenen Bedürfnisse haben. Ich muss mich aufgeben und nur für mein Kind da sein. Es ist doch schließlich krank und braucht mich 24 Stunden, am Tag und in der Nacht. Heute weiß ich, dass das keine gesunde Einstellung war. Nur wenn ich glücklich bin, ist und kann Evan auch glücklich sein…. und ich war lange Zeit nicht glücklich. Ich habe nur unter Zeitdruck gelebt, immer mit einem Bein in der Luft und mit der Zeit im Nacken. Ich habe funktioniert und dabei das Wichtigste vergessen: Zu leben! Das geht vielleicht ein paar Monate gut, vielleicht auch Jahre aber irgendwann hat sich mein Inneres gemeldet. Ich liebe meinen Sohn über alles und er ist meine Priorität. Zudem arbeite ich auch gerne aber ich habe festgestellt, dass mir etwas fehlt. Ich bin Mutter und das bin ich gerne aber darüberhinaus bin ich auch eine eigenständige Person mit eigenen Interessen und Bedürfnissen. Das habe ich lange Zeit vernachlässigt bzw. verdrängt – mit Evan zusammen ich selber zu sein und zu bleiben.

Mittlerweile weiß ich, dass ein gutes Netzwerk zu haben, lebeInsta photo editor1447616323007nswichtig ist. Für mich bedeutet es ein Stück Freiheit. Durch die liebevolle Betreuung, kann ich 2 Nachmittage in der Woche frei entscheiden was ich mache. Ich kann meiner Leidenschaft, dem Reiten, nachgehen oder einfach mal in Ruhe einkaufen gehen – sogar in Ruhe in den Supermarkt zu gehen macht mir Spaß! Für viele ist das etwas selbstverständliches aber für mich ist es das nicht. Die anderen Leute müssen denken, dass ich spinne, wenn ich freudestrahlend durch den Supermarkt schlendere und das Einkaufen, wie andere Frauen einen Stadtbummel, zelebriere. An manchen Tagen klappt es besser und an anderen etwas schlechter. Natürlich schaue ich, wenn ich alleine unterwegs bin, sehr oft auf mein Handy und versichere mich, dass es Evan gut geht. Aber das ist in Ordnung. Mittlerweile gibt es aber auch die Tage, an denen ich nur 1x anrufe und die restliche Zeit richtig abschalten kann. Glauben Sie mir, das ist für mich ein riesen Fortschritt! Dank meiner Eltern kann ich am Wochenende auch mal ausgehen und eine Nacht durchschlafen.

Was für mich früher selbstverständlich war musste ich mit Evan wieder neu erlernen: Ich musste lernen, dass es okay ist, einige Stunden in der Woche nur für mich zu nutzen und währenddessen nicht über Therapien oder Anträge nachzudenken – und dafür bin ich unendlich dankbar!

„Keine Schuld ist dringender, als die, Dank zu sagen.“ Philosoph Cicero

 

Liebe kennt keine Sprache

Machen Sie einmal Ihre Augen zu und stellen sich Folgendes vor (erst lesen und dann Augen zu machen): Sie sind in einem fremden Land. Sie sprechen weder die Sprache noch können Sie die Gesten und Mimiken der anderen Leute verstehen und deuten. Sie hören die Menschen sprechen, Sie hören Autos, Kindergeschrei, irgendwo bellt ein Hund. Stellen Sie sich vor, dass alles prasselt auf Sie ein, ohne, dass sie es direkt zuordnen oder filtern können. So ähnlich ergeht es meinem Sohn jeden Tag.

Einige meiner „Mütter -Freundinnen“ beschweren sich oft, dass ihre Kinder zu viel erzählen und sie ständig mit Fragen bombardieren. Evan spricht gar nicht und ich würde mir sehr wünschen, dass er mir Löcher in den Bauch fragt und mich mit Sätzen bombardiert und belagert. Wenn ich anderen Kindern und deren Eltern beim gemeinsamen Unterhalten zuschaue, werde ich jedes Mal ein wenig sentimental. Für viele ist das Selbstverständlich, für mich ist es etwas Einzigartiges und Faszinierendes: Verbale Kommunikation. 

Kommunikation ist der Grundstein für jegliche Art von Beziehung. Wenn wir nicht kommunizieren können, können wir einander nicht verstehen und das führt zu Missverständnissen, Unzufriedenheit und Ärgernis.

Evan lautiert sehr viel und spricht manchmal auch einige Wörter nach, aber nur in der Imitation. Er versteht die Bedeutung nicht und daher vergisst er sie auch ganz schnell wieder. Er begreift nicht – noch nicht – die Notwendigkeit bzw. den Nutzen der Sprache. Wenn Evan und ich zusammen Musik machen und dabei singen, kann er manche Wörter mit Bewegungen und Gesten nachmachen (z.B. große Leute, kleine Leute). Allerdings benötigt das viel Übung und viele Wiederholungen. Wenn ich die gleichen Wörter außerhalb des Liedes anwende, versteht er sie nicht. Nur im Kontext des Liebes. Im Alltag ist das oft eine sehr belastende Situation, da Evan und ich sehr schwer – fast gar nicht – kommunizieren können. Oftmals entstehen dadurch Missverständnisse. Ich kann Evan nicht kurz erklären, dass wir heute als Ausnahme in die andere Richtung gehen, um zur Eisdiele zu kommen. Wenn er es verstehen würde, würde er ohne Probleme mitgehen – Evan liebt Eis! Allerdings kann ich ihm das nicht verständlich machen. Ich habe früher einige Bildkarten genutzt und 20151005_210455ihm diese in bestimmten Situationen gezeigt. Zu Hause ist das praktisch, da die Karten immer vorhanden und griffbereit sind. Unterwegs ist das allerdings nicht so anwendbar, da ich die Karten im Alltagsstress oft vergessen habe. Zudem habe ich immer so viel Gepäck und Utensilien dabei, wenn Evan und ich unterwegs sind, dass mir die Bildkarten schnell lästig geworden sind.

Ich brauchte also eine Alternative!

Was hat man immer dabei? Seine Hände – die ka20151005_210529nn sogar ich im Alltagsstress nicht vergessen! Ich habe schon länger von GUK – Gebärden unterstütze Kommunikation von Etta Wilken – gehört. Dabei spricht man ganz normal mit dem Kind, unterstützt einige Wörter allerdings mit den GUK Gebärden. Am Anfang idealerweise nur bis zu 2 Gebärden in einem Satz, später kann man das beliebig steigern.

Ich habe mich vor einiger Zeit sehr  motiviert zu einem Anfängerkurs angemeldet und GUK hat mich gleich überzeugt. Es sind ganz einfache Gebärden, die man sich schnell merken kann und gut im Alltag anwenden und integrieren kann. Ich habe nach meinem Kurs direkt begonnen mit Evan zu üben. Am Anfang war ich etwas „übermotiviert“ und bin „wild GUK gebärdend“ durch das Haus gelaufen. Ich glaube Evan hat sich gefragt was ich jetzt schon wieder für Sachen mache und was dieses merkwürdige Spiel zu bedeuten hat. Mit der Zeit habe ich allerdings ein Gefühl dafür bekommen und bin sensibel und mit etwas weniger Gebärden auf Evan eingegangen. Da Evan nur bedingt Blickkontakt zulässt, muss die Gebärde sehr schnell erfolgen. Meistens habe ich nur einen kurzen Moment seine Aufmerksamkeit. Evan hilft es, wenn ich zu der Gebärde noch den Gegenstand zeige. Mittlerweile kann er schon einige Gebärden, seine Lieblingsgebärden sind: Essen, Haben, Helfen und Fertig – wenn Evan die Gebärde Fertig zeigt, muss allerdings alles sofort (in diesem Moment) fertig sein, die Gebärde Warten kennt Evan noch nicht. Im Kindergarten und während seiner Therapien werden diese Gebärden unterstützend geübt. Ich habe mittlerweile einen weiteren GUK Kurs für Fortgeschrittene besucht und kann jetzt Kinderlieder und Geschichten mit GUK Gebärden begleiten.

Die GUK Karten sind sehr einfach gestaltet. Es gibt 3 verschiedene Arten von Karten: eine Gebärden Karte, das dazugehörige Bild und das geschriebene 1447615506630Wort. Somit kann man mit den Kindern in verschiedenen Schwierigkeitsstufen üben. Es gibt 2 verschiedene Sets mit insgesamt 200 Gebärden. Was ich an GUK sehr gut finde ist, dass man sehr flexibel mit den Gebärden umgehen kann. Für 4 verschiedene Wörter, die zu einer Wortgruppe gehören gibt es zum Beispiel nur eine Gebärde – wie zum Beispiel für den Überbegriff Musik (singen, Musik machen, musizieren, ein Instrument spielen). Bei GUK ist die Mimik und Gestik ebenfalls sehr wichtig. Zudem kann man Wörter wie zum Beispiel Schneemann einfach zusammen setzen: Schnee und Mann. Dieses kann man bei vielen zusammengesetzten Wörtern anwenden. Unterstützend habe ich mir zu dem GUK Set noch eine GUK App für mein Handy heruntergeladen. Diese kostet 11 Euro, ist ihr Geld aber definitiv wert. In kurzen und sehr anschaulichen Videos werden die Gebärden gezeigt. Das ist sehr praktisch für unterwegs.

Ich bin sehr froh, dass es mittlerweile so viele unterstützende Optionen gibt, die uns die tägliche Kommunikation vereinfachen wie die Lautsprache mit Gebärden oder mit Hilfsmitteln wie Bildtafeln oder Talkern. Rückblickend glaube ich allerdings, dass ich eine Zeitlang die Kommunikation zwischen mir und Evan „zu verbissen“ gesehen habe. Ich habe alles versucht damit er in die Sprache kommt und habe viel Geld für therapeutisches Spielzeug ausgegeben. Für mich war der Gedanke, dass Evan sich nicht ausdrücken kann sehr schwer zu ertragen. Dabei habe ich das Offensichtliche übesehen: Jeder Mensch hat ein natürliches Bedürfnis sich mitzuteilen und zu kommunizieren. Nur weil Evan eine Behinderung hat, heißt das nicht, dass er nichts zu sagen hat und dieses auf seine Art auch ganz klar macht und zeigt. Es ist egal wie viele Bücher oder therapeutisches Spielzeug ich kaufe, Evan bestimmt das Tempo. Und das ist in Ordnung! Evan entscheidet wie viel Anregung und Abwechslung er braucht. Ich kann ihm meine Hilfe und Unterstützung anbieten aber das Tempo bestimmt er.

Evan und ich sind mittlerweile ein eingespieltes Team geworden. Ich weiß –  meistens zumindest – wenn er irgendein Laut von sich gibt was er möchte, mit den GUK Gebärden nun noch viel mehr. Einige Leute fragen mich oft: „Das hast Du jetzt verstanden?“ Ja, das habe ich!

Ich habe während Evans und meiner gemeinsamen Reise, etwas sehr wichtiges gelernt: Liebe kennt keine Sprache. Auch wenn Evan nicht Mama oder ich hab Dich lieb sagen kann, weiß ich genau, dass er mich liebt.

Eine Mutter versteht auch, was ein Kind nicht ausspricht. Jüdisches Sprichwort

Therapiebett Lisa hat seit heute einen Deckel

Seit ein paar Tagen kann Evan aus seinem tollen Spezialbett (20151116_191942Lisa, Tischlerei Freistil) klettern, obwohl es komplett abzuschließen und zudem noch sehr hoch ist. Das hatte viele anstrengende Abende und schlaflose Nächte zur Folge! Bis heute, denn seit heute hat Evans Bett einen Deckel!! Allerdings hat er diesen gleich genutzt, um auf das Bett zu klettern! Ich habe fast 20 Minuten gebraucht, um ihn dort wieder runter zu holen…:o)

Der steinige Weg zur Diagnose

 

Kann er mich nicht hören oder will er mich nicht hören? Diese Frage habe ich mir ganz am Anfang unseres gemeinsamen Weges – ich könnte auch Martyrium schreiben – immer wieder gestellt. Irgendetwas stimmt doch nicht. So fing alles vor ungefähr 3 Jahren an. Evan hat sehr wenig auf Sprache reagiert und schien oft sehr abwesend zu sein. Zudem war Evan ein sehr unruhiges Kind und wollte immer beschäftigt werden. Dabei habe ich mir am Anfang nicht viel gedacht, da Evan durch seine schwere chronische Erkrankung (Herzfehler) sehr viel umsorgt wurde. Hat er in seiner „Intensivkrankenhauszeit“ nur einmal geschrien, wurde er sofort von mehreren Krankenschwestern umsorgt und liebevoll zur Ruhe gebracht. Das hat sich Evan sehr früh gemerkt und sich zu Nutzen gemacht.

Aber es ließ mir trotzdem keine Ruhe. Umso älter er wurde umso mehr Sorgen habe ich mir gemacht. Nach einiger Zeit habe ich mir einen Termin bei einem Pädaudiologen geholt. Er sollte abklären, ob Evan im Stande ist richtig und deutlich zu hören. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch sehr naiv und optimistisch was Evans Zusammenarbeit betraf. Dieser Optimismus verflog allerdings sehr schnell – eigentlich schon mit Eintritt in die Praxis. Die lieben Arzthelferinnen haben sich davon allerdings nicht entmutigen lassen. „Das bekommen wir schon hin, wir haben hier unsere Erfahrungen gemacht“. Okay, dachte ich. Lass die mal machen. Nach ein paar Minuten kamen sie schweißgebadet und nicht mehr ganz so optimistisch blickend aus dem „Hörraum.“ Das funktioniert so nicht. Mit dieser Aussage habe ich dann die Praxis verlassen und war genau so nicht wissend wie vorher.

Die Universitätsklinik in Kiel, in der Evan mit seinem Herzfehler in Behandlung ist, hat dann die Hörtests bei Evan durchführen können, allerdings im sedierten Zustand. Das Resultat war, dass Evan sehr gut hören kann. Aber trotzdem blieb die Ungewissheit und dieses seltsame Gefühl, dass etwas nicht stimmt.

Im Januar 2012 haben Evan und ich eine Mutter Kind Kur gemacht. Während dieser Kur haben mich die Erzieher angesprochen und mir gesagt, dass ihnen einige Auffälligkeiten aufgefallen sind und ich diese doch mal überprüfen lassen sollte. Als wir wieder zu Hause waren, habe ich daraufhin gleich einen Kinderarzt und einen Kinderpsychologen aufgesucht. Der Kinderarzt versuchte mich zu beruhigen und versicherte mir, dass alles okay wäre. Zu diesem Ergebnis kam er schon nach einigen Minuten. Der erste Kinderpsychologe, den wir aufgesucht haben,  hat Evan 2 Mal für gute 20 Minuten beobachtet und mir daraufhin zu verstehen gegeben, dass Evan normal entwickelt sei und ich doch meine Erziehungsmethoden überdenken sollte. In dieser Zeit habe ich wirklich angefangen an mir als Mutter zu zweifeln. Mache ich etwas falsch? Fördere ich Evan nicht genug? Muss ich einfach mehr Bücher mit ihm lesen, damit er das Sprechen erlernt? So abwegig mir diese Gedankengänge heute vorkommen, damals haben diese Schuldgefühle mich sehr beschäftigt und gequält.

Es waren viele Kleinigkeiten, die damals alleine betrachtet vielleicht nicht so ungewöhnlich erschienen aber mir  im Gesamten ein komisches Gefühl übermittelt haben. Evan wirkte sehr unruhig, war oft sehr abwesend, hat weder auf Sprache noch auf Gestiken reagiert. Sobald wir das Haus verlassen haben, wirkte er sehr verloren und überfordert und ist nur weggelaufen. Seine Art zu Spielen war schon immer sehr speziell aber im Vergleich mit anderen Kindern ist Evan einfach aufgefallen. Was also stimmt hier nicht?

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich die Nachricht erhalten habe, dass Evan Pflegestufe 2 bewilligt bekommt. Als ich den Brief geöffnet habe, musste ich weinen. Nicht weil ich traurig war sondern weil ich mich gefreut habe, dass die tägliche Belastung und der Aufwand mit Evan gesehen wird. Ich habe mir das doch nicht nur alles eingebildet!

Von da an hat sich bei mir etwas verändert und ich habe mir gedacht: Jetzt erst Recht! Ich habe bei sämtlichen Institutionen und Ärzte angerufen und mir Termine geholt, unter anderem habe ich mir an diesem Tag einen Termin im Sozial-pädiatrischen Institut in Bremen geben lassen und diesen wenige Wochen später wahrgenommen. Dort hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass ich ernst genommen werde und das meine Beobachtungen, nichts mit einer „Helikopter Mutter“ (hysterisch) zu tun haben, sondern ernst genommen und sogar geteilt werden. Die Kinderpsychologen, sowie die Heilpädagogen und Kinderärztin haben Evan für gute 2 Stunden beobachtet und danach sofort „Verdacht auf frühkindlichen“ Autismus diagnostiziert. Evan war zu dem Zeitpunkt erst 2 Jahre und die endgültige Diagnose darf erst ab 3 Jahren erfolgen. Nach diesem Gespräch war ich einerseits sehr traurig aber andererseits auch sehr erleichtert. Es war ein Wechselbad der Gefühle. Aber das schönste Gefühl war, dass ich gesehen und sehr ernst genommen wurde. Ich habe mich nicht geirrt. Es ist nicht meine Schuld und ich könnte noch 100 Bücher kaufen, Evan würde nicht einfach anfangen zu sprechen.

Im  Alter von 3 Jahren und vielen weiteren Untersuchungen sowie Beobachtungen wurde mit 3 Jahren dann die endgültige Diagnose gestellt: Frühkindlicher Autismus.

Wenn es um Evan geht, verstehe ich keinen Spaß und werde zu einer richtigen Löwenmutter. Ich glaube ich bin der Schrecken einiger Ärzte, unserer Krankenkasse und Institutionen geworden. Viele von ihnen würden am liebsten gleich wieder auflegen, wenn sie meinen Namen hören. Aber das macht mir nichts mehr. Wenn ich nicht so penetrant und fordernd gewesen wäre, wären Evan und ich heute nicht so weit gekommen. Evan hat mit 2 Jahren schon mit der Autismustherapie begonnen und ist nicht wie einige Ärzte mir empfohlen haben in einen Regelkindergarten gegangen sondern in eine heilpädagogischen Kindergarten mit einer Gruppe von nur 5 weiteren Kindern und 3 Erziehern. Und das war genau richtig so!

Ich habe mittlerweile einige tolle Hilfsmittel wie unser Bett (mit einer speziellen IMG-20150204-WA0030Schlummerstern Matratze), was ich abends während des „Einschlafensprozesses“ einfach abschließen kann (hört sich schlimmer an als es ist – Evan liebt sein Bett). Ich musste mir vieles selber anlesen und mich informieren und oftmals etliche Telefonate und Papierkrieg hinter mich bringen aber es hat sich gelohnt. Ich bin eine richtige Expertin auf diesem Gebiet geworden, Es ist nicht immer leicht und manchmal hat man einfach keine Lust und auch keine Kraft mehr,  nur noch ein Telefonat zu führen. Viele Mitarbeiter von einigen Einrichtungen oder Krankenkassen können das gar nicht nachvollziehen. „Sie müssen doch nur noch 3 Arztbriefe, 2 Rezepte un1447502126833d 3 weitere Anträge ausfüllen bzw. einreichen und dann bekommen sie schon eine Antwort – noch keine Zusage. „Nur noch„… Diese 2 Wörter konnte ich irgendwann nicht mehr hören. Neben der Ernährung, Pflege, Betreuung, Telefonaten,  Arztbesuche, Therapien und Behördengänge hört sich „nur noch“ relativ verloren an.

Liebe Mütter, liebe Väter, lasst Euch nicht unterkriegen und vertraut Eurem Gefühl. Lasst Euch nicht abwimmeln oder abspeisen sondern habt Vertrauen in Euer Empfinden. Bitte vertraut Euren eigenen Fähigkeiten, Stärken und Kompetenzen. Sie, als Mutter oder Vater, sind Fachfrau und Fachmann für Ihr Kind, denn niemand kennt Ihr Kind so gut wie Sie.

Ich kämpfe für Evan und setzte mich für seine Rechte und sein Wohlbefinden ein. Wenn nicht ich, wer dann?

When your life just stops for a moment

In December 2011 my life just stopped for a short while and when it continued everything was different. From one minute to the other.

I have very detailed memories regarding that moment. I went to the doctor in the morning – full of anticipation. I was 6 month pregnant. After the visit at the doctor I planned to do my Christmas shopping. I didn’t know at that moment that Christmas would be canceled that year and that nothing would be the same as before anymore. I was still in my old world in which everything was okay.

At the latest when the doctor went out to get a colleague I felt that something was not right. In the beginning I still thought that it just might be a 6th finger or that one ear might be a little bit too big. „You should think about an abortion because your child wont be viable“. For a moment I thought that I did not understand the doctor correctly because we were talking in French (I still lived in Brussels). But I did get him right. At that minute my life just stopped for a moment. My child wont be healthy? I was always beyond doubt that my child will be in good shape and healthy. Everybody gets healthy children. I did not drink neither did I smoke and I am healthy. These were my first thoughts. Your child just can‘t be sick, that is not possible. Now I am thinking that that was pretentious to think. Now I know how thankful you have to be if you expect an healthy child.

Abortion. I left the doctor that day with that advice. I went home, to my apartment in which the baby room was already fully furnished. The doctor just gave me some broken bits of information: left half of the heart, deformation of the heart, too big right half of the heart.I sat down at the computer and did some research myself. I shortly got Hypoplastic Left Heart Syndrome (HLHS) as an answer.  One week later (7 days, 168 hours, 10080 minutes) I had an appointment at the hospital and my suspicion was correct: Hypoplastic Left Heart Syndrome (HLHS), 5% chance of survival. I left the hospital with that result and again the advice of abortion.

Abortion. That was never an option for me. I did not even think about it for one minute. I just couldn’t image it. With the final diagnosis I sat down again at the computer and looked for hospitals which were able to treat that heart disease. The hospital in Kiel was my first choice and I made an appointment right away. In Kiel my hopes went up again because they could operate that kind of heart disease. Since I still lived in Brussels and I was insured in Belgium I had to organise a few things so that my unborn child could get treatment in another country, in Germany. When I received the acceptance letter it felt like a stone had been fallen from my heart. It helped me in the beginning to organize these things because it distracted me for a while and I had to function. I knew that our  journey wouldn’t be easy and that some operations were waiting for us but there was hope. Hope. I really learned to appreciate that word during that time. 

I had hope when I bought the first setting of clothes and the first music box for Evan that he could wear them and listen to it. Every morning I woke up with hope and every night I went to bed with hope.

When I was asked:“Boy or Girl? Ah, it doesn’t matter. Main thing is that the baby is healthy“, I started crying immediately. After a while I just nodded and kept my thoughts to myself. To be pregnant and not knowing if you are able to hold your baby alive in your arms is just indescribable. As a mother you have so many wishes and hopes for your unborn child. Every day I begged, plead and prayed that Evan shall live. Fear was next to hope my permanent companion at that time. 

But I learned something else during that time: Humbleness. Humbleness for life. I have learned that it is not self-evident to have an healthy child and I also learned that not all parents get healthy children – as I was assuming before. During Evan’s hospital stay I lived in the Ronald McDonald Haus Kiel where I met a lot of parents who shared the same destiny as I did. The Ronald McDonald Haus became a home away from home during that time and the conversations with other concerned parents helped me and bolstered me up. 

If I could turn back the time I would do everything exactly the way I did before. Every day when I look into Evan’s eyes and see the joy and living will I know that it was worth fighting for. Evan lives up for his name: Little brave warrior

The heart must submit itself courageously
to life’s call without a hint of grief,
A magic dwells in each beginning,
protecting us, telling us how to live.
(Hermann Hesse, Steps).