Autor: m.wessel12@yahoo.de

Normal.

„Dein anderes Kind ist aber normal, oder?“ wurde ich letztens gefragt. Ich weiß, dass die Frage nicht in böser Absicht gestellt wurde noch, dass sie mich oder meinen kleinen Michel beleidigen sollte. Für die fragende Person war es eine ganz normale Frage. Ganz normal. Normal eben. Vielleicht ist es für viele andere Menschen auch eine normale Frage. Ich musste im Nachhinein sehr lange darüber nachdenken. Normal. Ich glaube, dass dieses kleine Wort eine sehr große Bedeutung hat und immer noch in sehr vielen Köpfen verankert ist. Wenn es ein normal gibt, was ist dann das Gegenteil? Nicht normal? Abnormal? Was bedeutet dann dieses Wort bezogen auf eine Person. Eins meiner Kinder ist normal und das andere ist nicht normal? Wörter habe eine Bedeutung und diese Bedeutung setzt sich in den Köpfen der Menschen fest. Denn ganz ehrlich, was ist normal? Und wer legt fest, was normal ist oder nicht? Ich habe zwei Kinder. Ein Kind mit Autismus und einem schweren Herzfehler und ein gesundes Kind. Ein großes und ein kleines Kind. Es gibt viele Wörter, …

Leben.

Alle suchen es. Alle wollen es. Ein kleines oder vielleicht auch ein etwas größeres Stück vom Glück. „Haben wir nicht sogar ein Anrecht auf Glück„, vermag ich aus einigen Gesichtern zu lesen. Manchmal auch aus meinem. Ein Anrecht auf Glück. Gibt es so etwas? Haben wir ein Recht auf Glück? Ich weiß es nicht, aber wenn ich ehrlich bin, würde ich es mir hin und wieder wünschen. Es gibt Tage, an denen schätze ich mich glücklich. Sehr glücklich. Überaus glücklich. Da scheint mich das Glück anzulächeln und das Beste ist: es hört gar nicht mehr auf zu lächeln! Aber es gibt auch die anderen Tage. Die Tage, an denen ich mich vom Glück verlassen fühle. Ja, an diesen Tagen fühle ich mich sogar vom Pech verfolgt, ein wenig zumindest. Ganz nach dem Motto: Tschüss Glück. Hallo Pech. „Hallo Pech“ – das habe ich in der letzten Zeit oft gesagt. Häufig bin ich in den letzten Jahren an meine Grenzen gestoßen. Ich habe den Blick für „Alles hat etwas positives“ verloren. Mein „Inklusion-Welcome-Kampfgeist“ hat gelitten. Stark …

Abtauchen.

Abtauchen. Mal schwimme ich in der einen Welt, mal in der Anderen. Die meiste Zeit allerdings schwimmen wir zusammen in unserer Welt. Hin und wieder tauchen der kleine Bruder und ich auf und atmen etwas von der anderen Luft ein, um dann im nächsten Moment wieder abzutauchen und gemeinsam mit Evan zu schwimmen. So ähnlich fühlt es sich für mich an. Unser Leben. Der kleine Bruder wird immer älter und möchte immer öfter an die Wasseroberfläche schwimmen. Hin und wieder, für kurze Momente, können wir Evan mitnehmen, aber es wird immer weniger. Der kleine Bruder hat eigene Interessen, die ich nicht mehr mit Evan vereinbaren kann. Und so teilen wir uns auf. Das ist auch in Ordnung. Größtenteils. Ich weiß, dass viele Familien mit gesunden Kindern es auch so machen, da Kinder unterschiedlichen Alters, unterschiedliche Interessen haben. Aber trotzdem bleibt es bei Größtenteils, da ein Gefühl immer zurückbleibt. Das Gefühl, Evan bestimmte Dinge, nicht zeigen zu können. Nicht mit Evan über bestimmte Dinge zu sprechen. Nicht zu erfahren, was Evan denkt. Zu wissen, dass ich …

Sommer.

So langsam zieht der Sommer an uns vorbei. Ich liebe den Sommer. Draußen ist es warm und die Menschen gehen vor die Tür. Ich glaube bei warmen Temperaturen zieht es die meisten Menschen überwiegend ins Schwimmbad, an den See oder in die Eisdiele. Ich mag die warmen Temperaturen. Ich mag das Leben auf den Straßen. Daher trifft es mich im Sommer immer wieder ein bisschen mehr. Zu dieser Jahreszeit wird es mir immer wieder etwas bewusster, wie isoliert wir eigentlich sind. Wie wenig wir das Leben auf der Straße erleben. Im Sommer fühle ich es besonders stark. So vieles ist einfach nicht möglich. Einiges ist möglich aber durch viele kleine oder große Umstände ist vieles für uns unmöglich. Es ist ein dünner Pfad, immer zu schauen was wie geht und sich einzugestehen, dass etwas nicht geht. Sich aufzuteilen zwischen den Brüdern, um sicher zu gehen, dass keiner von den beiden wundervollen Wesen zu kurz kommt. Ich schaue aus dem Fenster und sehe wie das Leben auf der Straße verläuft. Das Fenster ist offen und ich …

Auslachen.

Auslachen. Es passiert immer und immer wieder. Evan und ich werden in bestimmten Situationen ausgelacht. Manchmal bekomme ich es gar nicht so richtig mit, dann wieder fällt es mir umso mehr auf. Irgendwie habe ich es in der Vergangenheit immer so hingenommen. „Das ist halt eben so.“ Gestern ist es mir wieder sehr extrem aufgefallen und ich habe das erste Mal ganz klar gedacht: Das ist nicht okay. Ich möchte das nicht. Nur weil das „eben so ist“, ist es nicht gleich okay oder hinnehmbar. Denn da ist sie wieder: Die unsichtbare Behinderung. Evans Verhalten wird mit Frechsein oder schlecht erzogen in Verbindung gebracht. Es mag durchaus etwas Komisches oder vielleicht sogar Witziges an sich haben: Eine überforderte Mutter, die trotz eines scheinbar frechen Kindes, versucht, ruhig zu bleiben und sich neben ihrem frechen und nicht erzogenen Kind auf den Boden setzt und mit komischen Handbewegungen versucht, dieses kleine Wesen zu beruhigen. Eine Mutter, die sich anscheint ganz freiwillig beißen und kratzen lässt. Wie komisch und witzig ist das denn bitte? Nicht alle Menschen lachen …

Und dann sitzt er einfach da.

Und dann sitzt er einfach da und wartet. Normalerweise ist das Einkaufen mit Evan wirklich kein Genuss noch ein Vergnügen. Während ich dabei bin, den Einkauf in den Wagen zu werfen, eile ich Evan hinterher, der den Einkaufsladen mit einem Spielplatz verwechselt. Und heute?Saß er einfach nur da und hat beim Bäcker zusammen mit seiner Laugenstange und seinem Schokocroissant auf mich gewartet. So als wenn es das Normalste auf dieser Erde wäre. So unbedeutend und klein es für viele Menschen auch sein mag, für mich war es mein heutiges Highlight. 

Anders und (un)Sichtbar.

Ich schaff das schon, ich schaff das schon Ich schaff das ganz alleine Ich komm bestimmt, ich komm bestimmt Auch wieder auf die Beine Ich brauch dazu, ich brauch dazu Vielleicht ’ne Menge Kraft Doch ich hab immerhin Schon ganz was anderes geschafft“ (Quelle: Lied, Rolf Zuckowski) Dieses Lied begleitet Kimja Sophie van den Berg schon seit frühester Kindheit und ist zu einer Art Leitspruch geworden. Das einzige, was sie darin häufig anders sieht, ist das man gemeinsam, an einem Strang ziehend, noch viel mehr erreichen kann, denn man muss nicht alles alleine schaffen. Kimja ist 30 Jahre alt und lebt mit ihrer Familie im Landkreis Cuxhaven, relativ mittig zwischen Bremen/Hamburg und Cuxhaven direkt am Wasser. Ihr Sohn Kjell hat den Pflegegrad 3 und einen Schwerbehindertenausweis von 50% und mit den Merkzeichen B & H. Kraft zieht Kimja Sophie aus kreativen Projekten, wie Nähen, Hausumbau, Musikevents, Fotografie und Theater spielen. Auch das Schreiben auf ihrem Blog „Die Weltenbauer“, entspannt sie sehr. Magst Du Dich und Deine Familie kurz vorstellen? Was ist bei Dir /Euch anders …

Konsequent Inkonsequent

Sei doch mal konsequent“. „Sie müssen einfach nur konsequent sein.“ Konsequent sein. Ehrlich gesagt, kann ich diese Wörter nicht mehr hören. Nicht weil ich sie nicht mag oder nicht konsequent sein möchte. Aber was bedeutet, konsequent sein eigentlich? Grenzen zu setzen und diese auch durchzusetzen? Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber bei einem bin ich mir sicher. Sehr sicher sogar. Ich kann nicht immer konsequent sein. Auch wenn ich das möchte, ich schaffe das ganz einfach nicht. Wir kämpfen am Tag ungefähr 100 kleine und größere Kämpfe. Einige von diesen vielen Kämpfe, fechte ich konsequent bis zum bitteren Ende aus. Andere Kämpfe beginne ich erst gar nicht und andere Kämpfe verliere ich. Warum? Weil mir die Kraft fehlt. Und ehrlich gesagt, ist es okay. Ich kann nicht alle Kämpfe gewinnen. Ich suche mir meine Kämpfe gut überlegt aus. Ich kann nicht den ganzen Tag kämpfen. Kein Mensch kann das. Manchmal bekommt Evan vor dem Abendbrot noch einen Lolli oder er darf zum dritten Mal am Tag duschen. Ich erlaube das, nicht weil es mir …

Slogans für die Welt.

Unsere T-Shirts für Euch – Kleine Statements, große Wirkung. Manchmal zumindest. Evan und ich haben im Alltag sehr oft mit Vorurteilen und manchmal sogar mit Beschimpfungen zu kämpfen. Oftmals entstehen diese Situationen bei uns durch Unwissenheit, denn eine Behinderung, die man nicht sieht, kann doch keine richtige Behinderung sein, oder? Eine Behinderung, die nicht direkt sichtbar ist, kein offizielles Aushängeschild trägt, wird sehr schnell als Ungehorsam oder Frech abgefertigt. Ich habe mit der Zeit gemerkt, dass uns unsere beschrifteten Shirts im Alltag sehr helfen und in vielen Situationen klärend unterstützen. Da mich im Laufe der Zeit immer mehr Menschen auf unsere T-Shirts angesprochen haben, habe ich schon länger mit dem Gedanken gespielt, eigene T-Shirts zu entwerfen und anzubieten. Jetzt ist es endlich soweit und ich freue mich riesig, diese mit Euch zu teilen. Die Einnahmen der Shirts gehen komplett in die ehrenamtliche Arbeit, die wir zum Thema Inklusion veranstalten (Inklusiver Kinder und Jugendtreff Ziemlich beste Freunde & inklusive Gottesdienste, Adventslauf, etc.). Unsere T-Shirts könnt ihr hier finden: www.andersunddochnormal.de/slogans-fuer-die-welt/#!/ Alles Liebe, Marcella & Evan

Öffnet Eure Schubladen.

Aufklären. Ich habe schon oft über dieses Thema geschrieben und werde es auch wieder machen, da es mir so sehr am Herzen liegt: Aufklärung. Immer und immer wieder kommt es zu unangenehmen, missverständlichen bis zu beleidigenden Situationen, wenn Evan und ich unsere Abenteuer im Alltag erleben. Das könnte mir egal sein. Stimmt, das könnte es. Ist es auch manchmal aber nicht immer. Manchmal stehe ich darüber, manchmal bin ich verletzt und manchmal bin ich traurig oder wütend. Eine Erkenntnis ist aber immer gleich: Ich bin jedes Mal aufs Neue erstaut darüber, dass es anscheint noch sehr viel an Aufklärung bedarf und die Unkenntnis und Unsicherheiten unsere Begegnungen dominieren. Eine Behinderung, die man nicht sieht, kann doch keine richtige Behinderung sein, oder? Eine Behinderung, die nicht direkt sichtbar ist, kein offizielles Aushängeschild trägt, wird sehr schnell als Ungehorsam oder Frech abgefertigt. „So behindert kann er ja nicht sein, er sieht doch total gesund aus. Diese Aussage ist nur eine von vielen, die ich sehr oft zu hören bekomme. Ich möchte Evan keinen Stempel, keine Aushängeschild, mit …