Der Sommer 2018 war schwierig für mich. Warum gerade dieser? Das wüsste ich auch gerne. Vielleicht war es auch nicht der Sommer direkt, der es mir schwer machte sondern die Vorstellungen wie dieser Sommer gefüllt und gestaltet werden sollte. Schon bevor die Sommerferien begonnen haben, habe ich direkt oder indirekt mitbekommen wie Freunde, andere Familien, Arbeitskollegen und Bekannte dabei waren, Ihren Sommer zu füllen. Ihre Urlaube und Ausflüge zu planen und zu buchen. Ich wurde immer leiser und habe so gut es ging weggehört – bis ich irgendwann nicht mehr weghören, es nicht mehr verdrängen, konnte. Die Traurigkeit und Enttäuschung waren einfach zu groß. Ich wollte auch gerne in den Urlaub fahren oder aufregende Ausflüge mit meiner Familie unternehmen. Ich hatte das Bedürfnis unsere Urlaube bis ins kleinste Detail zuplanen und die Vorfreude auf den Urlaub zu genießen. Aber alle Ideen, wie wir unseren Urlaub verbringen könnten, wurden im nächsten Moment sofort erschlagen. Erschlagen von der Realität. Wenn Illusion auf die Realität trifft, so in etwa fühlte es sich an. Ich habe in den letzten Jahren immer viel ausprobiert. Oft, sehr oft, eigentlich immer, bin ich dabei über meine Grenzen gegangen und habe Urlaub vom Urlaub gebraucht. Ich muss mittlerweile gut mit meinen Kräften haushalten und werde immer sorgsamer was und was nicht geht. Leider geht mit der Zeit immer weniger.
Mit einem, meinem, behinderten Kind in den Urlaub zu fahren oder Ausflüge zu unternehmen ist sehr schwierig. Wenn ich ganz ehrlich mit mir selber bin, ist der erholsamste Urlaub zu Hause, in den eigenen vier Wänden. Aber dieses Jahr habe ich eine innerliche Unruhe verspürt. Ans Haus gefesselt zu sein, nicht frei entscheiden zu können wo wir unseren Urlaub verbringen, war sehr schwer für mich. Ich habe mich mal wieder ausgeschlossen gefühlt. Ich habe wieder den Stempel: „Nicht dazugehörig – außen vor“ auf meiner Stirn gesehen. Zu diesem Stempel gesellte sich dieses Jahr aber noch ein Anderer. Ein Stempel, der mir dieses Jahr, diesen Sommer, viel mehr zu schaffen machte. Der Stempel: Ungerecht.
Mir ist es wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass ich mir darüber im Klaren bin, dass es viele Familien gibt, die aus den verschiedensten Gründen nicht in den Urlaub fahren können. Mir geht es bei meinen Urlaubsgedanken auch nicht um den 5 Sterne Urlaub im Ausland, sondern um die Freiheit entscheiden zu können was wir machen. An manchen Tagen ist es noch nicht einmal möglich den Spielplatz im Ort aufzusuchen. Ganz zu schweigen von irgendwelchen Sommerurlauben oder Ausflügen. Zu meiner innerlichen Unruhe kommen zudem noch die Schuldgefühle. Schuldgefühle meinem besonderen Kind keinen Urlaub zu ermöglichen, der möglich ist. Evan liebt Ausflüge und Urlaube. Evan liebt das Meer und das Übernachten in anderen Unterkünften. Aber viele äußere Umstände machen es einfach unmöglich zu verreisen. Glauben Sie mir, wenn ich schreibe, dass ich Möglichkeiten über Möglichkeiten in Betracht gezogen habe, um am Ende doch wieder gedanklich sagen zu müssen:
Marcella, das wird nicht klappen! Sei vernünftig.
Am Ende hat die Vernunft (Vernunft- ein Wort welches ich gerne in meinem Leben streichen würde) diesen Sommer gesiegt. Wir sind nicht weggefahren. Zumindest nicht so wie ich es mir vorgestellt habe.
„Nicht so wie ich es mir vorgestellt habe“ bezeichnet unseren Sommer 2018 ganz gut. Aber wissen Sie was an „Nicht so wie ich es mir vorgestellt habe“ gut ist? Es beinhaltet, dass es noch ein „anders“ gibt. So schwer und traurig dieser Sommer auch für mich war, habe ich mal wieder gemerkt, dass es noch mehr als „nicht so wie ich es mir vorgestellt habe“ gibt. Es gibt immer, so kitschig dies jetzt klingen mag, einen anderen Weg, in meinem Falle, eine andere Vorstellung. Ich bin diesen Sommer an meine Grenzen gekommen und das ist gut und wichtig so. Warum? Um meine Grenzen neu ordnen zu können und neue Möglichkeiten zu erschaffen. Auch wenn diesen Sommer nicht vieles ging, ging doch einiges. Wir haben uns unser eigenes kleines Paradies inklusive Pool und Gartenübernachtungen zu Hause erschaffen. Wir haben Ausflüge ans Meer, an den See und in den Vergnügungspark gemacht – in diesen Fällen habe ich das Wort Vernunft wirklich aus meinem Wortschatz gestrichen. An diesen Tagen bin ich bewusst über meine Grenze gegangen, aber nur mit dem Wissen, die nächsten Tage meine Energiefässer wieder zu Hause füllen zu können.
Unser Sommer 2018 war anders. Anders als ich ihn mir vorgestellt habe. Anders schön. Das soll jetzt kein kitschiges Märchen Happy End werden, nach dem Motto Ende gut alles gut. Nein, es ist nicht alles gut. Ich bin weiterhin sehr traurig, dass in unserer Familie vieles was für andere Familien ganz normal ist, so für uns nicht möglich ist. Aber mir ist auch klar geworden, dass das zum Leben dazugehört. Nur weil andere Familien Dinge machen können, heißt es nicht, dass wir dies auch automatisch können. Das ist das Leben, mit all seinen Facetten. Es ist nicht immer alles gerecht und gut aber ich kann Ihnen versichern, dass es anders gut ist. Ich bin glücklich mit unserem Sommer 2018 und ich hoffe sehr, dass meine Kindern das gleiche Gefühl haben. Ich versuche zu schauen und zu erörtern was möglich ist und was geht. Nächstes Jahr wird es wieder anders sein. Wie anders? Das weiß ich noch nicht. In diesem Sinne auf das Leben mit allen seinen wunderbaren und wundervollen und manchmal auch ungerechten Facetten.